Neulich in Belgien

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Es hätte überall passieren können, der deutsche Verleihtitel aber präzisiert, woher das Spielfilmdebüt des Flamen Christophe van Rompaey stammt. Die Tragikomödie „Neulich in Belgien“ erzählt auf erfrischende Weise von den Sorgen einer mit Trennungsstress konfrontierten Mutter dreier jugendlicher Kinder. Mit einem bewundernswerten Gespür für Situationskomik und Charaktere sorgt die Geschichte für heitere wie auch nachdenkliche Momente einer quasi unmöglichen Liebe.

Webseite: www.senator.de

OT: Aanrijding in Moscou; engl. OT: Moscow, Belgium
Belgien 2008
Regie: Christophe van Rompaey
Darsteller: Barbara Sarafian, Jurgen Delnaet, Johan Heldenbergh, Anemone Valcke, Sofia Ferri, Julian Borsani
102 Minuten
Verleih: Senator
Kinostart am 16.10.08

PRESSESTIMMEN:

Schönstes, schlichtestes Schauspieler-Kino.
Kultur-Spiegel

FILMKRITIK:

Die Einkäufe sind im Kofferraum verstaut, es kann nach Hause gehen. Doch dann touchiert die gestresst wirkende Matty auf dem Parkplatz einen LKW. So lapidar der Blechschaden, so bemerkenswert die Folgen der in Moscou, einem Arbeiterviertel am Stadtrand der belgischen Stadt Gent spielenden Ereignisse. Truckfahrer Johnny nämlich lässt sich trotz Standpauke nicht davon abhalten, der dreifachen Mutter und aktuell von ihrem Mann wegen einer jüngeren Frau verlassenen Matty wiederholt seine Aufwartung zu machen. Einerseits genervt, andererseits aber auch angezogen von den unnachgiebigen Avancen des fast 15 Jahre jüngeren LKW-Chauffeurs, gibt sie dem Schicksal nicht nur einmal eine Chance. Schuld daran ist auch ihr Mann. Seit fünf Monaten fliegt er auf eine halb so alte Schülerin seiner Kunstklasse und vertagt die Bitte seiner Frau, zu ihr zurückzukehren, von Woche zu Woche.

Was der exzellent von Barbara Sarafian gespielten Mittvierzigerin Matty widerfährt, ist ein Schicksal, wie es sonst wo auf der Welt seinen Lauf nehmen kann. Die ständigen Stimmungs- und Gefühlsschwankungen nimmt man dieser einfachen, aber bestimmten und wie viele andere Ehefrauen von einer ewigen und glücklichen Liebe träumenden Frau durchweg ab. Den unnachgiebig romantisch veranlagten LKW-Fahrer wiederum spielt der flämische Theaterschauspieler Jurgen Dalnaet mit großem Mut zur Peinlichkeit – in einer Karaokeszene etwa. Die Dialoge zwischen  beiden sind dabei lebensecht und insofern voller Überraschungen, als nicht nur Johnny Matty herausfordert, sondern sie ihn umgekehrt in ihren Entscheidungen vor immer neue Tatsachen stellt. 

Vor allem die erste Stunde dieses erfrischenden Films mit seinen tragischen, komischen und romantischen Momenten gestaltet sich bemerkenswert. Dann aber steigt das Gefühl, van Rompaey und sein Drehbuchautor Jean-Claude van Rijckeghem wüssten nicht so recht, wie sie ihre Geschichte zu einem plausiblen Ende führen sollten. Doch egal wie der heiter und unsentimental verlaufende Film über die Schwierigkeiten, im Leben glücklich zu sein, nun letztlich ausgeht: die Art und Weise, wie hier aus dem Leben einfacher Leute und ihrem Umfeld erzählt wird, kommt an. Gut getroffen sind dabei auch die von der elterlichen Trennung betroffenen Kinder der gebeutelten, insgesamt aber auch sehr liebenswerten Familie, allen voran die 17-jährige Tochter Vera (Anemone Valcke). 

Weil „Neulich in Belgien“ nicht unbedingt ein rein belgisches oder gar flämisches Sujet behandelt, könnte dies nun durchaus dazu führen, dass man sich auch außerhalb seiner Heimat für diesen lobenswerten Film begeistert. 
 

Thomas Volkmann

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In der belgischen Stadt Gent gibt es ein Viertel das heißt Moskau. Dort wohnt Matty mit ihren beiden Kindern. Ihr Ehemann Werner ist längst mit der Studentin Gail abgehauen. Matty kommt vom Einkaufen zurück. Beim Ausparken rammt sie leicht den Lkw von Johnny. Katastrophe – doch nur verbal. Johnny ruft an. Er will sich anscheinend entschuldigen. Aber denkste! Er hat ein Auge auf Matty geworfen. Die allerdings liebt noch immer ihren Werner und hat fürs erste von den Männern die Nase voll. Johnny lässt sich nicht abwimmeln und repariert Mattys Auto. Er wird zum Blutwurstessen eingeladen. Natalie hat ihn vor 18 Monaten verlassen, er war Alkoholiker, und im Knast saß er auch schon. Werner wird eifersüchtig. Matty wehrt sich lange mit Händen und Füßen. Auch nach einer spontanen Liebesnacht in Johnnys Lkw. Doch ihre Entscheidung scheint gefallen zu sein.

Dass ein Erstlingswerk wie dieses derart natürlich, lebensnah, lustig und spontan sein kann, ist schon die Ausnahme. Und doch ist das alles hier gegeben. Von Anfang bis Schluss wohnt man diesem Halb-zog-sie-ihn-halb-sank-er-hin-Geschehen mit größtem Amüsement bei, das nicht nur vergnüglich ist, sondern auch handwerklich sehr gut gemacht.

Einen riesigen Anteil daran hat ganz ohne Zweifel Barbara Sarafian als Matty. Mit ihrem entwaffnendem Wesen nimmt sie nicht nur Johnny für sich ein, sondern auch den Zuschauer voll und ganz. Jürgen Delnaet als Johnny und Johan Heldenbergh als Werner arbeiten ihr bestens zu.

Thomas Engel