Nichts als Gespenster

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Schon über den 2003 erschienenen Erzählband der in Berlin lebenden Judith Hermann war die Fachpresse voll des Lobes. In ihren Kurzgeschichten ging es Hermann um die Liebe und die mit ihr in Zusammenhang stehenden Themen Sehnsucht und Sprachlosigkeit. Manchem Kritiker galten diese jedoch als „unverfilmbar“. Martin Gypkens („Wir“) und sein aus großartigen deutschen Jungschauspielern bestehendes Ensemble widerlegen dieses Urteil jedoch mit einem atmosphärisch starken Film.

Webseite: www.nichtsalsgespenster.de

Deutschland 2007
Regie: Martin Gypkens
Darsteller: Maria Simon, August Diehl, Jessica Schwarz, Janek Rieke, Brigitte Hobmeier, Sólveig Arnarsdóttir, Valur Freyr Einarsson, Wotan Wilke Möhring, Stipe Erceq, Ina Weisse, Karina Plachetka, Chiara Schoras, Fritzi Haberlandt, Christine Schorn, Walter Kreye
119 Minuten
Verleih: Senator (Start: 29.11.2007)

PRESSESTIMMEN:

Reisegeschichten aus fünf Ländern, mit Melancholie und lakonischem Humor erzählt.
Wer Judith Hermanns gleichnamigen Erzählband kennt, darf sich die Augen reiben. Martin Gypkens gelingt es, eigentlich unverfilmbare Episoden von Menschen rund um den Globus, die sich fern der Heimat treiben lassen, als unterhaltendes Mosaik von Beziehungen, Begegnungen und Begebenheiten auf die Leinwand zu zaubern.
Blickpunkt:Film

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FILMKRITIK:

Der staubige Westen der USA, das einen Hurrikan erwartende Jamaika, die Lagunenstadt Venedig, Island im Winter und ein Besuch in der deutschen Provinz – das sind die Spielorte der fünf Kurzgeschichten von „Nichts als Gespenster“. Jede steht dabei ganz allein für sich, als gemeinsamer Nenner eint sie das Motiv des Reisens und der Suche nach der Liebe. Oder ist es eher umgekehrt die Flucht der Figuren vor sich selbst? Eine gewisse Anspannung jedenfalls ist in jeder dieser einzelnen Geschichten zu spüren. Martin Gypkens entwickelt sie parallel zueinander, springt also von Ort zu Ort und von Kontinent zu Kontinent – auch er im Schnitt getrieben wie seine Figuren.  
Die Verfilmung setzt ein mit einer Urlaubsreise von Ellen (Maria Simon) und ihrem Freund Felix (August Diehl) in die USA. Diese Episode bildet eine Art Klammer für den gesamten Film. Die Weite des Landes steht dabei stellvertretend für die mittlerweile innere Leere der Beziehung - was dem Paar allerdings erst unterwegs auffällt und für Missstimmung sorgt. In Jamaika kündigen sich derweil kräftige Stürme an, auch sie sind von symbolischer Bedeutung. Nora (Jessica Schwarz) ist hier zusammen mit ihrer Freundin Christine (Brigitte Hobmeier) bei ihrem Ex-Freund Kaspar (Janek Rieke) zu Gast. Der Besuch weckt bei ihm wieder alte Gefühle, die Dreierkonstellation aber bremst die Stimmung, mehr noch, als Christine selber nicht weiß, was sie will oder nicht will.

Jonas (Wotan Wilke Möhring) und seine beste Freundin Irene (Ina Weisse) teilen beide das Schicksal einer frisch gescheiterten Beziehung. Um Kraft zu tanken und Abstand zu gewinnen fliegen sie zu ihrem Studienfreund Magnus nach Island. In der winterlichen Umgebung klammern sich beide in überstürzter Weise aneinander ohne dabei ihre derzeitige Verletzlichkeit zu berücksichtigen. Dies ist umso schlimmer, als Magnus Lebensgefährtin Jonina sich von Jonas angezogen fühlt. Zwei Frauen, ein Herz, das sie lieben (oder zu lieben meinen), davon handelt auch die in Cottbus spielende Episode mit Caro (Karina Plachetka) und Ruth (Chiara Schoras). Beider Objekt der Begierde ist Raoul (Stipe Erceg), der sehr genau weiß, wie er auf Frauen wirkt. Die fünfte Geschichte ist schauspielerisch die sicherlich intensivste dieses Films, trägt hier die 30-jährige Marion (Fritzi Haberlandt) ihr Päckchen doch ganz alleine nach Venedig. Genervt von ihrer Einsamkeit ebenso wie der bevormundenden Art ihrer unverbesserlichen Eltern, die sie hier trifft, verkörpert sie die allen Geschichten innewohnende Melancholie und Sehnsucht geradezu idealtypisch – ohne dabei wirklich etwa sagen zu müssen.

Als formale Unterscheidung der einzelnen Episoden ist der jeweiligen Stimmung entsprechend eine unterschiedliche Farbgestaltung auszumachen. Und obwohl „Nichts als Gespenster“ vom Aufbau und den Kameraeinstellungen her oft konstruiert wirkt, bleibt die Neugierde, wie sich die jeweilige Geschichte weiter entwickelt, erhalten – von Langeweile also keine Spur. Dies liegt sicherlich auch an der Montage des in sich geschlossenen Films. Mit dem Motiv des Reisens und dem Blick in wundervolle, zum Träumen anregende Landschaften bleibt auch die Dramaturgie des Films immer gut im Fluss. Letztendlich überzeugt „Nichts als Gespenster“ auch deshalb, weil Martin Gypkens seine Figuren so agieren lässt, wie sie mit ihren Besonderheiten und Macken einfach sind.

Thomas Volkmann

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Ein Film über Menschen im Schwebezustand. Sie fühlen sich unschlüssig, sie suchen, sie sehnen sich nach Liebe, sie genießen kurze Glücksmomente, dann sind sie wieder ratlos oder verzweifelt, sie fragen, sie träumen, sie nehmen Abschied. Und sie hoffen, ihr Glück in der Ferne zu finden. Sie reisen.

Die Schriftstellerin Judith Herrmann erzählte die Geschichten, Martin Gypkens machte einen ansehnlichen Film daraus. Er handelt von Ellen und Felix, die im Auto von der amerikanischen Ostküste an die Westküste und zurück fahren. Sie sind zwar immer zusammen, haben sich aber nicht mehr viel zu sagen.

Christine ihrerseits besucht mit ihrer besten Freundin Nora deren Ex-Freund Kaspar auf Jamaika. Zwar fängt Nora mit Kaspar wieder etwas an, aber mehr als Getändel, leeres Gerede, Nicht-weiter-wissen und Warten auf einen Hurrikan kommt dabei nicht heraus.

Jonina und Magnus leben zusammen mit der kleinen Sunna auf Island. Ihr Verhältnis ist ungestört - bis Jonas und Irene zu Besuch kommen. Sowohl Jonas als auch Irene haben gerade eine Trennung hinter sich. Jonina empfindet etwas für Jonas, doch bis zu diesem scheint das nicht vorzudringen. Er gibt sich vielmehr der traurigen und Zärtlichkeit suchenden Irene hin.

Ruth, die Schauspielerin, hat sich soeben in den schönen Raoul verliebt. Doch sie muss mit Entsetzen feststellen, dass ihre Freundin Caro ihn ihr wegschnappt, wenn auch nur für kurze Zeit.

Marion fühlt sich einsam. Gerade ist ihr eine Liebe verloren gegangen. Sie reist ihren Eltern nach Venedig nach. Ist da etwa etwas mit diesem fremden, irritierenden Italiener?

Geschickt sind die in nicht weniger als fünf Regionen spielenden Episoden zusammengeknüpft. Das hat neben Regisseur Martin Gypkens einer geleistet, der vom Schnitt etwas versteht. Eine melancholische, nostalgische, ein wenig schmerzliche, aber auch menschlich reale Stimmung liegt über dem Ganzen. Schicksale, wie sie täglich vorkommen. Mitgefühl möglich.

Durchaus ansehbar und auch gut gespielt.

Thomas Engel