Nichts geht mehr

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In seinem ersten abendfüllenden Spielfilm erzählt Florian Mischa Böder die Geschichte zweier Brüder, die mitten in Bochum nichts als Schabernack aushecken. Doch irgendwann überspannen sie den Bogen und müssen vor der Polizei nach Hannover fliehen. Böder schildert in „Nichts geht mehr“ eine ironische Geschichte über aufbegehrende junge Erwachsene ohne politische Ideale. Der Film weckt Erinnerungen an „Die fetten Jahre sind vorbei“ und gefällt nicht zuletzt durch seine unverbrauchte Besetzung.

Webseite: www.nichtsgehtmehr-derfilm.de

Deutschland 2007
Regie: Florian Mischa Böder
Drehbuch: Alexander Pellucci, Florian Mischa Böder
Darsteller: Jörg Pohl, Jean-Luc Bubert, Nadja Bobyleva, Susanne Bormann
Verleih: Alpha Medienkontor
Länge: 86 Min.
Kinostart: 08.05.2008

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Partys, Frauen, dumme Streiche. Als der introvertierte Konstantin (Jörg Pohl) zu seinem älteren Bruder August (Jean-Luc Bubert) nach Bochum zieht, öffnet sich für ihn das Tor zu einer völlig neuen Welt. Jeden Abend wird in der gemeinsamen Wohnung feuchtfröhlich gefeiert und immer neuer Schabernack ausgeheckt. Doch irgendwann geht der Spaß zu weit. Als die Geschwister durch einen ihrer Scherze Bochums Berufsverkehr lahmlegen, müssen sie vor der Justiz nach Hannover fliehen. Vor allem Konstantin werden die sinnlosen Streiche dadurch langsam zu viel. Erst recht, als die Brüder in der niedersächsischen Hauptstadt die attraktive Hanna (Susanne Bormann) kennen lernen, die mit ihrer Clique einen regelrechten Anschlag auf das örtliche Stromnetz plant.
 

„Nichts geht mehr“ lautet gleichermaßen der Filmtitel von Mischa Böders Kinodebüt, als auch das Lebensmotto von Konstantin und August. Sie lieben es, die Welt zum Stillstand zu bringen. „Mach' dich mal locker“, wird im Film zu Augusts Lieblingsspruch, mit dem er seinen nachdenklichen Bruder zum Mitmachen motiviert. Und tatsächlich lässt sich Konstantin zunächst immer wieder leichtfertig verleiten. Bis er dahinter kommt, dass die Späße nicht nur ziemlich dämlich sind, sondern auch ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen.

Die Beziehung der beiden Brüder steht im Zentrum von Böders Film. Und normalerweise spielen Werke wie „Nichts geht mehr“ in Metropolen wie Berlin, München oder Hamburg. So wie Hans Weingartners „Die fetten Jahre sind vorbei“, in dem vor vier Jahren eine ähnlich unverbrauchte Besetzung durch die deutsche Hauptstadt zog. Doch Böder sucht bewusst das Umfeld weit weniger prominenter Großstädte. Schließlich versucht die Jugend auch in Bochum und Hannover, gegen gesellschaftliche Normen aufzubegehren. Dass dieser Wunsch in diesem Fall in ziemlich plumpen Streichen mündet, ist natürlich nicht gerade nachahmenswert. Zumal sich gerade August schleichend von einem Schmalspurchaoten zu einem Provinzterroristen weiterentwickelt.

Unterschwellig spielt „Nichts geht mehr“ dabei geschickt mit der angeblichen Entpolitisierung der heutigen Jugend. Ohne klare Ziele und Ideale gehen die Brüder ihren dummdreisten Scherzen nach. Bei ihrer Mutter, einer bekennenden 68er-Aktivistin, war das noch ganz anders. Bei einer Gegenüberstellung der beiden Generationen entzaubert der Film ganz nebenbei genüsslich die vorgeschobene politische Motivation von einst. Denn in Wahrheit waren die Späße der Studenten und Kommunarden vor vierzig Jahren auch nicht viel intelligenter als die von Konstantin und August. Und auch damals drifteten einige der Scherzbolde bekanntlich in eine ernsthaft kriminelle Richtung ab.

„Nichts geht mehr“ ist ein ironisches und streckenweise hintergründiges Porträt der heutigen Jugend, wenngleich dem Film am Ende ein wenig die Luft ausgeht. Gleichwohl konnte Böders Debüt aufgrund seiner frischen Geschichte und seiner noch erfrischenderen Darsteller, unter denen die 28-jährige Grimme-Preisträgerin Susanne Bormann („Polly Blue Eyes“) schon als Veteranin gelten muss, bereits auf diversen deutschen Festivals überzeugen. So errang die Komödie kurz nach ihrer Premiere in Hof auf dem 7. FILMZ-Festival in Mainz den Publikumspreis. Zudem wurde Konstantin-Darsteller Jörg Pohl beim diesjährigen Max Ophüls Preis zum besten Nachwuchsschauspieler gekürt.

Oliver Zimmermann

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Bochum. Die Brüder Konstantin (Jörg Pohl) und August (Jean Luc Bubert) machen aus welchem Grund auch immer, aber wahrscheinlich als bloßen Studentenstreich, Verkehrsampeln unkenntlich. Ergebnis: am nächsten Morgen Chaos in der Innenstadt. „Nichts geht mehr“.

Da die Angst vor terroristischen Anschlägen in aller Welt in aller Munde ist, wähnen auch die Bochumer Behörden, dass es sich um einen Anschlag handeln könnte. Entsprechend ist die polizeiliche und juristische Reaktion. Fieberhaft wird jetzt nach der Terrorgruppe A(ugust) K(onstantin) B(ender) gesucht.

Die beiden werden davon überrascht. Damit sie nicht festgenommen werden, hilft nur noch die Flucht. Sie setzen sich nach Hannover ab, wo sie in der Wohnung der Eltern von Konstantins Freundin Marit (Nadja Bobyleva) Unterschlupf finden.

Was werden soll, wissen sie selbst nicht genau. Sie gehören jetzt dem „Underground“ an und agieren als „Chicago“ und „Sydney“. Da ist es doch am besten weiterzumachen und beispielsweise die Stromversorgung der Stadt zu sabotieren.

Mit neu gewonnenen Kumpels führen sie scheinbar tief greifende Diskussionen, feiern, verachten auch den Alkohol nicht. August ist eher der Partyfreund, der Oberflächlichere, der Verantwortungslosere, einer, der den Augenblick genießen will und sich sonst um wenig kümmert. Konstantin ist der Ernsthaftere, Nachdenklichere, derjenige der, nicht zuletzt wegen seiner Beziehung zu Marit, den Weg zur Realität wieder finden will.

Durchschnittlicher Versuch eines Zeitbildes, das zwei Komponenten hervorhebt: das problematische Verhältnis zwischen zwei charakterlich sehr unterschiedlich empfindenden und handelnden Brüdern; und die Andeutung einer gesellschaftlichen Gefühlslage, die unter dem Eindruck und Einfluss des Molochs Terrorismus steht bzw. leidet. 

Thomas Engel