Niemals Allein, Immer Zusammen

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Die junge Generation sei faul heißt es oft, würde nur an sich selbst denken, lieber reisen als sich zu engagieren. Mag sein, dass es solche Menschen gibt, Joana Georgis Dokumentarfilm „Niemals Allein, Immer Zusammen“ zeigt jedoch eine andere Generation, zeigt fünf junge Menschen, die sich in unterschiedlichen Bereichen engagieren, manchmal verrennen, aber nie die Hoffnung aufgeben, dass Wandel möglich ist.

Deutschland 2023
Regie: Joana Georgi
Dokumentarfilm

Länge: 91 Minuten
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 13. Juni 2024

FILMKRITIK:

Es gibt diesen schönen, etwas polemischen, nicht ganz falschen, vielleicht aber auch nicht wirklich wahren Spruch: „Wer als 20-Jähriger kein Linker ist, hat kein Herz. Wer mit 40 immer noch ein Linker ist, hat keinen Verstand.“ Um die 20 sind alle fünf Protagonisten, die Joana Georgi in den Mittelpunkt ihres agitatorischen Dokumentarfilms „Niemals Allein, Immer Zusammen“ stellt, deren politische Arbeit sie zeigt, deren Hoffnungen auf eine andere, eine bessere, eine gerechtere Welt sie ein Forum bietet.

Zum Beispiel Quang Paasch, dessen Eltern einst aus Vietnam nach Deutschland kamen, die hier Rassismus und zum Teil schlimmeres erlebten – Stichwort Rostock Lichtenhagen – und der als Pressesprecher bei Fridays for Future aktiv ist. Fast schon der Mainstream des Protests, viel radikaler wirkt da etwa Simin Jawabreh, iranisch-deutsche Aktivistin, die sich gegen Alltagsrassismus und Diskriminierung einsetzt und so weit geht, die Abschaffung der Polizei zu fordern, die in ihren Augen offenbar für alles Elend auf den Straßen der Hauptstadt verantwortlich ist.

Nicht der einzige Moment des Films, in dem erstaunlich geschlossene Weltbilder gezeigt werden, in denen auf apodiktische Weise behauptet wird, die Welt, ihre Strukturen, ihre Missstände genau zu verstehen und natürlich auch genau zu wissen, was sich ändern müsste, damit alles gut wird.

Von bemerkenswerter Naivität geprägt wirken manche der Protagonistinnen, sind in der Lage, agitatorische Parolen herunterzurasseln, als wären sie auswendig gelernt – was sie vermutlich auch sind – backen Kuchen um den Toten von Hanau zu Gedenken und sagen dauerhaft Dinge wie „voll nice“ oder „so sad.“ Gleichaltrige werden sich hier fraglos wiedererkennen, Ältere bekommen eine Lehrstunde in moderner Jugendsprache, aber auch in Formen des Protestes.

Zaza etwa, bei den Dreharbeiten 2022 mit 19 der jüngste, macht eine Ausbildung zum Krankenpfleger, engagiert sich aber auch schon in der Gewerkschaft. Denn die Arbeitsbedingungen sind katastrophal, die Bezahlung schlecht, die Überstunden hoch, der Burnout nur eine Frage der Zeit.

Disparat wirken die Bewegungen bisweilen, ein Problem, das auch innerhalb der Aktivisten diskutiert wird. Denn am Ende ziehen sie trotz unterschiedlicher Ansätze doch am selben Strang, sind verbunden durch den Kampf gegen das System als Ganzes, gegen den Kapitalismus, den sie als Ursache des Übels ausgemacht haben.

Wenn da Teenager mit Socken rumlaufen, auf denen Hammer und Sichel an die Sowjetunion gemahnen, den Kapitalismus überwinden und dafür im Kommunismus leben wollen, mutet das mindestens bizarr und weltfremd an, wenn nicht gar Geschichtsvergessen. Da kann man nur hoffen, dass diese Personen im Alter von 40 Jahren dann doch zur Vernunft gekommen sind. Bei anderen Protagonisten kann man sich gut vorstellen, dass sie ihre politische Aktivität weiterführen werden, ob im Bereich der Parteien oder anderer Bewegungen. Im Jahr 2022, in dem „Niemals Allein, Immer Zusammen“ gedreht wurde, mögen sie noch sehr jung sein, das Links sein jedoch bedeutet, keinen Verstand zu haben, kann man nach diesem Film gewiss nicht mehr behaupten.

 

Michael Meyns