No Other Land

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Seit 1967 hält Israel das Westjordanland besetzt, baut auch von der Bundesregierung als Völkerrechtswidrig bezeichnete Siedlungen und macht eine politische Lösung des Konflikts immer schwieriger. Welche Folgen diese Politik auf die Menschen im Westjordanland hat zeigt der betont ruhige, nichtsdestotrotz aufrührende, wütend machende Dokumentarfilm „No Other Land“, der bei der Berlinale mit dem Preis für den Besten Dokumentarfilm prämiert wurde.

Palästina/ Norwegen 2024
Regie, Buch, Schnitt: Basel Adra, Hamdan Ballal, Yuval Abraham, Rachel Szor.
Dokumentarfilm

Länge: 96 Minuten
Verleih: Immergutefilme
Kinostart: 14. November 2024

FILMKRITIK:

Schon als Jugendlicher begann der palästinensische Aktivist Basel Adra sein Leben mit der Kamera zu dokumentieren, ein Leben, das von der israelischen Besatzung und ihrer oft haarsträubenden Folgen geprägt ist. Adras Heimat ist ein Zusammenschluss aus mehreren Dörfern, der als Masafer Yatta bezeichnet wird und im Süden des Westjordanlands liegt. Dort tobt ein erbitterter Streit zwischen den Palästinensern, die seit langer Zeit in diesen Dörfern leben und den Soldaten der israelischen Besatzungsmacht, die das Gebiet als zum militärischen Sperrgebiet erklärt haben, wodurch das tägliche Leben der Palästinenser noch schwieriger wurde.

Immer wieder zerstört die israelische Armee Häuser der Palästinenser, die wiederum meist nachts versuchen, Schäden zu beheben und damit ihr Recht, hier zu leben, verteidigen. Eine Sisyphusaufgabe, denn die Mittel der israelischen Armee sind praktisch unbegrenzt, ihr Schutz durch israelische Gerichte groß und auch wenn nach dem Völkerrecht der Bau von Siedlungen auf besetztem Gebiet illegal ist, bleibt der Bau von immer mehr dieser Siedlungen im Westjordanland seit Jahrzehnten ohne Konsequenzen.

Auch manche israelische Journalisten und Aktivisten dokumentieren diese problematische Politik ihres Staates, darunter Yuval Abraham und die Kamerafrau Rachel Szor, die zusammen mit Adra und Hamdan Ballal das Autorenkollektiv bilden, die für den Dokumentarfilm „No Other Land“ verantwortlich zeichnen, der im Frühjahr bei der Berlinale seine Weltpremiere feierte, dort unter anderem mit dem Preis für den Besten Dokumentarfilm und mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde und seitdem auf zahlreichen internationalen Festivals gezeigt wurde.

Ob diese Aufmerksamkeit etwas an der katastrophalen Situation der Palästinenser im Westjordanland ändern kann mag man bezweifeln, zu hoffen wäre es. Im Kern zeigt „No Other Land“ zwar nichts Neues, aber genau das ist das Problem. Bilder von israelischer Willkür, der Zerstörung von Häusern, der zunehmenden Verzweiflung der Bewohner, den Schikanen an Checkpoints, die das Leben, den Versuch, irgendwo Arbeit zu finden, zu einer täglichen Tortur machen, kennt man aus allzu vielen Dokumentarfilmen und TV-Reportagen der letzten Jahre. Doch der internationale Druck auf Israel, sich endlich in Richtung einer für alle Seiten gerechten Zwei-Staaten-Lösung zu entwickeln steht und fällt je nach Lage der medialen Aufmerksamkeit und wird durch abscheuliche Taten wie das Massaker der Hamas im Oktober 2023 natürlich nicht befördert.

Dass den Filmemachern, vor allem dem Palästinenser Basel Adra nach der Preisverleihung bei der Berlinale massiver Hass entgegenschlug, es Morddrohungen gab, in manchen Kreisen in Deutschland unweigerlich auch der Vorwurf des Antisemitismus laut wurde, sollte nicht übersehen lassen, was „The Other Land“ im Kern darstellt: Einen betont nüchternen Blick auf eine verzweifelte Situation, die seit viel zu langer Zeit gärt und einer Lösung harrt. Hoffnung ist am Ende alles, was den Menschen im Westjordanland bleibt.

 

Michael Meyns