Nur für einen Tag

Ein zauberhafter Film – eigentlich ganz einfach und trotzdem raffiniert, so wie die gute französische Landküche. Die Geschichte über eine ambitionierte Köchin auf Kurs in Richtung Sternerestaurant, die unfreiwillig mit ihrer Kindheit und Jugend inklusive Elternhaus konfrontiert wird, hat viel Charme und Humor. Für die Atmosphäre sorgt nicht nur die tolle Besetzung, sondern auch zusätzlich Musik und Tanz, so dass ein schöner Hauch von „La La Land“ durch den Film weht.

 

Über den Film

Originaltitel

Partir un Jour

Deutscher Titel

Nur für einen Tag

Produktionsland

FRA

Filmdauer

98 min

Produktionsjahr

2025

Regisseur

Bonnin, Amélie

Verleih

Wild Bunch Germany GmbH

Starttermin

02.10.2025

 

Kurz vor der Eröffnung ihres lange geplanten Gourmet-Restaurants in Paris, das sie mit ihrem Kollegen und Lebenspartner Sofiane konzipiert hat, erhält die ehrgeizige Köchin Cécile einen Anruf von ihrer Mutter: Alarm! Céciles Vater ist nicht zum ersten Mal mit einem Herzinfarkt in der Klinik gelandet. Nicht nur, dass sie immer noch auf der Suche nach ihrem Signature Dish ist und die Restauranteröffnung wie ein Damoklesschwert über ihrem Kopf schwebt: Jetzt das auch noch! Cécile will nicht, aber sie lässt sich von Sofiane überreden, zu ihren Eltern zu fahren. Es ist ja nur für einen Tag…

Also reist Cécile von Paris aus Richtung Osten, dorthin, wo ihre Eltern eine gutgehende Autobahnraststätte betreiben. Als sie ankommt, hat sich ihr Vater schon selbst aus dem Krankenhaus entlassen – auch nicht zum ersten Mal – und macht wie üblich seiner Frau Fanfan das Leben schwer. Allein das zu erleben, reicht schon, dass Cécile am liebsten gleich wieder kehrtmacht, aber dann trifft sie zufällig Raphaël wieder. Der ist ein sehr gut aussehender und ziemlich frecher Kerl und war einmal Céciles große Liebe. Sie hat Raphaël zwar seit mehr als 20 Jahren nicht mehr gesehen, aber allein schon sein Anblick genügt, damit in Cécile alte und neue Gefühle erwachen. Er ist verheiratet, sie ist liiert – egal. Spätestens beim gemeinsamen Schlittschuhlaufen – so wie damals – wird aus der taffen Geschäftsfrau wieder ein bis über beide Ohren verliebtes Mädchen.

An diesem Film gibt es unheimlich viel zu entdecken und zu interpretieren, was ganz wunderbar ist. Man kann sich aber auch einfach im Kinosessel zurücklehnen und ihn genießen. Selten gibt es solche Filme, in denen jede Einzelheit für sich allein und im Gesamtbild so authentisch und natürlich wirkt, dass in der Kombination eine unvergleichliche Atmosphäre entsteht: Hier wird in schöner Beiläufigkeit die Poesie des Alltäglichen gefeiert. Dazu gehören gut beobachtete Details wie die Plänkeleien zwischen Cécile und ihren Eltern, die offenbar ein wesentlicher Bestandteil ihrer Beziehung sind. Aber dazu gehört auch die Selbstverständlichkeit, mit der Cécile in Lkw’s trampt – logisch, sie ist mit Truckern aufgewachsen – oder der alte Hund mit Namen Bocuse, der sie wie in Homers Odyssee als einziger wiedererkennt, als sie nach vielen Jahren in die Heimat zurückkehrt. Diese hübschen Ideen werden ganz beiläufig präsentiert, sie unterstützen und unterfüttern das Geschehen auf unauffällige Weise, machen es noch besser fassbar und schaffen eine authentische, liebenswerte Atmosphäre. Ebenso gehören auch die gut ausgewählten Musiknummern dazu, die mal mit, mal ohne Choreografie in die Handlung eingebaut sind.

Konzeptionell und in seiner dramaturgischen Bedeutung und Ausdruckskraft erinnert das ein wenig an „Das Leben ist ein Chanson“ und selbstverständlich auch an „La La Land“, aber nur ein ganz kleines bisschen. Denn Amélie Bonnin hat mit ihrem Kinodebüt etwas ganz Besonderes geschaffen: eine warmherzige, immer wieder von Neuem überraschende Komödie mit hin und wieder durchaus ernsten Tönen, in der es nicht etwa, wie man denken könnte, um die Vorteile des Provinzlebens gegenüber dem hektischen Stadttrubel geht, also um das alte Stadtmaus-Landmaus-Thema mit starkem Gewicht auf die Bevorzugung der ländlichen Idylle, sondern eigentlich geht es hier, wenn auch in extrem beschwingter und liebevoller Stimmung ums Erwachsenwerden. Dazu gehört, dass sich das Rollenverhalten gegenüber den Eltern ändert (und vielleicht auch verändern sollte?), und dass es manchmal gut und heilsam sein kann, sich von der Vergangenheit zu befreien. Im Grunde erzählt Amélie Bonnin vom wahren Leben, und das bietet nun mal zahllose Überraschungen. Dabei sind alte Träume und alte Ideen immer noch gegenwärtig, aber vielleicht gar nicht so wichtig. Wie wär’s denn mal mit neuen Träumen und neuen Ideen?

Die Besetzung dieser Dramödie mit Tiefgang, Charme, Humor und Musik ist ebenfalls aller Ehren wert. Juliette Armanet, eine in Frankreich sehr bekannte Popsängerin, spielt – und singt – ihre erste Filmrolle mit viel Verve und Einsatz. Sie ist tatsächlich zum Niederknien gut, so temperamentvoll wie ein kleiner Spatz, dabei burschikos und sensibel, lieb und lustig. Und das passt auf diesen Film wie die Sauce Hollandaise zum Spargel.

 

Gaby Sikorski

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