Die Gleichstellung der Geschlechter und die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen – zwei wichtige Ziele im Leben der ukrainischen Künstlerin Oksana Schatschko. 2008 gründete sie mit Mitstreiterinnen die Bewegung FEMEN, die mit ihren politischen Aktionen und dem Zeigen ihrer Brüste polarisierten. Bald fanden sie weltweit Nachahmerinnen, FEMEN wuchs. Schatschko stand dieser Entwicklung zwiegespalten gegenüber. Das biografische Drama „Oxana“ erzählt die Geschichte dieser widersprüchlichen, emotional fragilen Person. Der fokussiert erzählte Film besticht durch seine unverkrampfte Erzählweise und die herausragende Hauptdarstellerin.
Über den Film
Originaltitel
Oxana
Deutscher Titel
Oxana – Mein Leben für Freiheit
Produktionsland
FRA
Filmdauer
103 min
Produktionsjahr
2024
Produzent
Ghaly, Sally/Girard, Alice/Halperyn, Jonathan/Kresmery, Daniél
Regisseur
Favier, Charlène
Verleih
X Verleih AG
Starttermin
24.07.2025
Ukraine, 2008: Oksana (Albina Korzh) und ihre Freundinnen setzen ein Zeichen gegen das politische System ihres Landes. Sie wollen die Menschen wachrütteln. Mit bemalten Körpern und Blumen im Haar demonstrieren sie lautstark – der Beginn von FEMEN, eine der bedeutendsten feministischen Bewegungen unserer Zeit. Paris, zehn Jahre später: Am Tag der Eröffnung ihrer Kunstausstellung streift Oksana durch die Straßen der französischen Hauptstadt. Sie ist aufgewühlt und wird von Erinnerungen an die mutigen Protestaktionen von einst eingeholt. Gedankenverloren lässt sie ihr Leben zwischen Aktivismus, Politik, Kunst und den eigenen inneren Dämonen Revue passieren. Am Abend des 23. Juli 2018 stirbt sie 31-jährig in ihrer Wohnung nahe Paris unter mysteriösen Umständen.
„Oxana“ basiert auf der eindrucksvollen Lebensgeschichte von Oksana Schatschko, die als Mitgründerin von FEMEN ab den späten 00er-Jahren in der Ukraine und wenige Jahre später auch international bekannt wurde. Das Erkennungszeichen der FEMEN-Frauen: Parolen und Schlagwörter auf ihren Brüsten und Oberkörpern, um die Aufmerksamkeit der Menschen zu erlangen und klare Statements zu setzen. Regisseurin und Drehbuchautorin Charlène Favier erzählt vom Werdegang dieser von den starren patriarchalen Strukturen angewiderten Frau, die sich vor allem für Selbstbestimmung, einen offenen Zugang zu Bildung und die Gleichstellung von Frauen in allen Bereichen einsetzte.
Favier springt klug zwischen den verschiedenen Zeitebenen, die sie in dramaturgisch gut gewählten Szenen ganz unmittelbar miteinander verschränkt. Einerseits schildert „Oxana“ das teils ziellose Umherdriften am letzten Tag im Leben der Aktivistin. Wobei über diesen Aufnahmen meist eine gewisse Schwermut liegt – gerade, wenn man die tragischen Umstände kennt und um das Lebensende der Ukrainerin weiß. Als Zuschauer hat man der Hauptfigur gegenüber also stets einen Wissensvorsprung: Man weiß, dass sie diesen Tag nicht überleben wird. Demgegenüber vermitteln die Flashbacks prägende Momente in Kindheit, Jugend und als junge Kunststudentin. Sie zeigen nachvollziehbar und schlüssig, welche Erlebnisse den Charakter und die Persönlichkeit der später weltberühmten Protestlerin geformt haben. Dazu zählt insbesondere die Unterdrückung der eigenen Mutter durch den dominanten, herrischen Vater. Eine innige, liebevolle Beziehung zur Mutter blieb bis zuletzt bestehen, das macht der Film deutlich. „Meine kleine Jeanne D’Arc“, sagt die Mutter in einer sehr emotionalen Szene zu ihrer Tochter.
Im weiteren Verlauf schildert Favier die ersten Schritte von FEMEN, frühe (noch kleine) Aktionen und schließlich den „Durchbruch“ durch immer Aufsehen erregendere, radikalere Proteste. Der Film behandelt darüber hinaus die zunehmende Ausweitung auf andere inhaltliche Felder sowie die Gründung neuer Untergruppen mit lokalen Vorsteherinnen in vielen europäischen Städten. Ein Aspekt, der innerhalb von FEMEN reichlich Konfliktpotential bot. Stichwort: Grabenkämpfe. „Oxana“ punktet dabei stets mit einer schlanken Erzählung ohne unnötigen Storyballast – und berücksichtigt die zentralen Lebensstationen der Porträtierten sowie ausgewählte, besonders bekannte FEMEN-Kundgebungen.
Ruhe und Entschleunigung halten Einzug, wenn Favier die Hauptfigur bei ihrer künstlerischen Arbeit zeigt, darunter sehr oft in intimen Nahaufnahmen voller Neugierde und Bewunderung. Dann verschmelzt die Künstlerin vollends mit ihrer Kunst (Schatschko konzentrierte sich auf Ikonenmalerei mit Verfremdung und surrealem Einschlag). Die lauten, wilden und gefährlichen Demos scheinen plötzlich ganz fern. Eine bisweilen träumerische Atmosphäre erzeugt, passend dazu, der unaufdringliche Score, der die Stimmung im jeweiligen Moment wunderbar akzentuiert.
Albina Korzh ist als FEMEN-Kreativchefin und führender Kopf der Gruppierung brillant. Würdevoll und souverän spielt sie eine facettenreiche, von Melancholie und einem tiefen Gerechtigkeitssinn durchzogene Frau, die immer an ihre Ideale glaubte. Sie schildert die Befindlichkeiten ihrer innerlich zerrissenen Figur jederzeit mitreißend und schlüssig.
Björn Schneider