Paradies: Glaube

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Der zweite Teil von Ulrich Seidls »Paradies«-Trilogie, eine abgründige Liebesgeschichte im Zeichen des Kreuzes, gefeiert und ausgezeichnet beim Filmfestival in Venedig 2012.

Webseite: www.paradies-trilogie.de

Deutschland 2013
Mit: Maria Hofstätter, Nabil Saleh, Natalya Baranova, Rene Rupnik, Daniel Hoesl u.a.
Regie: Ulrich Seidl
Verleih: Neue Visionen
Start: 21.3.2013

PRESSESTIMMEN:

Diese intime, aber nie lächerliche Studie über Fanatismus in religionskriegerischen Zeiten ist einer der stärksten Filme im Werk Ulrich Seidls.
DER TAGESSPIEGEL

FILMKRITIK:

Anna Maria ist Österreicherin und katholisch. Und nicht nur katholisch, sondern erzkatholisch, extrem katholisch, fanatisch katholisch. Irgendein Ereignis in ihrem Leben muss sie zu dieser außergewöhnlichen Frömmigkeit geführt haben. Doch davon später.

Sie trägt in der Nachbarschaft und vor allem bei Emigrantenfamilien Muttergottes-Statuen herum und fordert wildfremde Menschen auf, mit ihr zu beten. Immer wieder. Sie hält sich selbst für sündig und betet auf den Knien durch die Wohnung rutschend den Rosenkranz. Sie betet zu Maria und spricht mit Jesus. Sie geißelt sich zur Sühne oder umgürtet sich mit metallenen Spitzen. Sie singt in einem kleinen Glaubenskreis fromme Lieder oder begleitet sich dabei am Keyboard. Nichts anderes zählt mehr in ihrem Leben.

Sie ist seit langem mit dem ägyptischen Muslim Nabil verheiratet, der jedoch jahrelang in seine Heimat zurückgekehrt war, seit er einen schweren Unfall hatte und seitdem querschnittsgelähmt ist. Jetzt taucht er plötzlich wieder auf, sagt, er habe Sehnsucht nach ihr. Sie akzeptiert ihn, pflegt ihn, hält sich aber sexuell total auf Distanz. Vor allem als korangeeichter Mann nimmt er das nicht hin, verlangt vor ihr, dass sie macht, was er sagt.

Sie will ihm weismachen, der Unfall sei gut gewesen, weil er zu ihrer „Bekehrung“ beigetragen habe. Es kommt zum Drama, zu einer Art Vergewaltigung. Das wiederum verzeiht sie Jesus nicht – und schlägt ihn.

Ein Teil von Ulrich Seidls Trilogie „Glaube, Hoffnung, Liebe“. Seidl hat noch nie ein Blatt vor den Mund genommen und geht auch hier extrem vor. Abgesehen davon, dass niemand weiß, welche höhere religiöse Macht es gibt oder nicht gibt, zeigt Seidl, dramaturgisch-filmisch einleuchtend wie eh und je, dass in keiner Hinsicht und auf keinem Gebiet Fanatismus zu etwas Gutem führt.

Und dann sind da noch Maria Hofstätter als Anna Maria und Nabil Saleh als ihr Ehemann. Frau Hofstätter hat sich erklärtermaßen aufs intensivste auf die schwierige Rolle vorbereitet. Das Ergebnis: Sie ist sowohl physisch als auch psychisch derart überzeugend, dass man absolut von Kunst sprechen muss. Eine hochkarätige Leistung. Nabil Saleh seinerseits – übrigens Laie – spielt dem Querschnittsgelähmten so, als hätte er nie anders gelebt.

Spezialpreis der Jury in Venedig 2012. Völlig zurecht.

Thomas Engel