Pillion

Ein Film wie ein schwuler Comic von Ralf König. Der schmächtige Politeur Colin entdeckt im Pub den überaus attraktiven Biker Ray. Was nach einem Flirt ohne Chancen aussieht, entwickelt sich überraschend zu einer ziemlich besten Freundschaft der etwas ungewöhnlichen Art. Die Rollen in der Sado-Maso-Beziehung sind klar verteilt. Ray macht die Ansagen. Colin erfüllt alle Wünsche mit Begeisterung: je erniedrigender, desto lieber. Doch plötzlich probt der Sklave den Aufstand und die Beziehungskarten werden neu gemischt. Was „Fifty Shades of Grey” gerne gewesen wäre, das liefert dieses lässige Debüt des britischen Regisseurs, dessen Name wie aus einem 007 klingt: Harry Lighton. Seine Absichten: „Make you laugh, make you think, make you feel and make you horny!”. Eine queere RomCom im SM-Milieu, so frech und freizügig wie von Ralf König ausgedacht!

 

Über den Film

Originaltitel

Pillion

Deutscher Titel

Pillion

Produktionsland

GBR, IRL

Filmdauer

107 min

Produktionsjahr

2025

Regisseur

Lighton, Harry

Verleih

PLAION PICTURES GmbH

Starttermin

26.03.2026

 

„Pillion“ nennen die Briten den Beifahrer auf dem Motorrad. Als Sozius in einer SM-Beziehung übernimmt diese Rolle der schüchterne Strafzettel-Schreiber Colin (Harry Melling aus „Harry Potter“). Bei einem Musikauftritt in einem Pub entdeckt der schmächtige Held den gutaussehenden Biker Ray (Alexander Skarsgård) im übercoolen Leder-Outfit. Colin ist begeistert, aber weiß natürlich zu gut, dass solchen Typen in einer ganz anderen Liga spielen und unerreichbar für ihn sind. Doch weit gefehlt! Er bekommt nicht nur die Telefonnummer des Machos, sondern alsbald auch ein Date. In einer dunklen Seitengasse öffnet Ray seine Hose und zwingt den aufgeregten Colin auf die Knie. „Wie war dein Date?“, wollen die fürsorglichen Eltern bei der Heimkehr des Sohnes wissen. Seine sexuelle Orientierung ist für sie völlig normal. Papa leiht ihm sogar seine Lederjacke für das Treffen mit dem Biker.

Colin kann sein Glück kaum fassen, als ihn Ray nach dem etwas verunglückten Quickie noch einmal treffen möchte. Mehr noch: Er soll bei ihm einziehen und die Sklaven-Rolle übernehmen. Dass er fortan nur auf dem Fußboden schlafen darf, stört den schwer verknallten Colin keineswegs. An anderen Erniedrigungen findet er gleichfalls großen Gefallen. Mit neuer Frisur samt neuem Outfit ist er in der Motorrad-Gang seines Meisters schnell aufgenommen. Nur die Mutter reagiert etwas skeptisch auf die BDSM-Beziehung, die den Sohn zum devoten Untertanen degradiert. Colin scheint seine neue Partnerschaft in vollen Zügen zu genießen. Doch dann probt der Sklave plötzlich den Aufstand. Er verlangt mehr Augenhöhe und Zärtlichkeit. Zumindest an einem Tag in der Woche. Um seine Forderung zu unterstreichen, mopst er spontan das heilige Motorrad des Machos und brettert einfach davon. Ray reagiert irritiert. Höchste Zeit, dass die Beziehungskarten neu gemischt werden!

Basierend auf dem preisgekrönten Roman „Box Hill“ von Adam Mars-Jones, gelingt dem 33-jährigen Briten Harry Lighton ein erfrischend lässiges Kinodebüt der unkonventionellen Art. Nicht umsonst gab es dafür in Cannes in „Un Certain Regard“ den Preis für das beste Drehbuch. Im Unterschied zum lustlosen Hollywood-Plunder, dem fünffachen „Goldene-Himbeere“-Gewinner „Fifty Shades of Grey”, präsentiert diese kleine Indie-Produktion einen ebenso unverkrampften wie amüsanten Blick in die Sado-Maso-Welten. Freizügige Sex-Sequenzen gehören zum konsequenten Konzept. Sei es der erotische Ringkampf der ungleichen Partner oder eine Open-Air-Orgie der Motorrad-Gang. Macho-Mime Alexander Skarsgård beschreibt die RomCom augenzwinkernd mit den drei Worten „Gleitgel, Schweiß und Leder“. Humor hat freilich auch der Regisseur, der mit gut dosierter Situationskomik für die notwendige Leichtigkeit sorgt. Schließlich geht es bei diesen existenziellen Liebesfragen um das Machtgefüge einer Beziehung, um den schmalen Grat zwischen Hingabe und Selbstzweifel.

Mit „Harry Potter“-Mime Harry Melling und „Legend of Tarzan“-Darsteller Alexander Skarsgård ist die ziemlich perfekte Besetzung für ein ungleiches Liebespaar gefunden. Zwischen diesen beiden stimmt die Chemie spürbar gut. Den Namen des talentierten Regisseurs sollte man sich merken. Das ist keine allzu schwere Übung: Harry Lighton klingt schließlich wie eine Figur aus James Bond.

 

Dieter Oßwald

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