Ping Pong Paradise

Obwohl die meisten schon einmal einen Tischtennis-Schläger in der Hand hatten und ein paar Bälle übers Netz geschlagen haben, gilt Tischtennis hierzulande als Randsportart. Doch das kann natürlich echte Fans wie den Ulmer Verleger Florian Gebert nicht davon abhalten, den Sport nach Kräften und mit viel Geld zu unterstützen – unter anderem durch Weltklassespieler, die für Furore sorgen. Jonas Egert erzählt in seiner Sport-Doku die erstaunliche Geschichte des TTC Neu-Ulm, der 2019 gegründet und mit Wildcards sofort in der Bundesliga und Champions League starten durfte. Es geht um Sport, Politik, knallharte Geschäfte und selbstverständlich auch um faszinierende Ballwechsel.

 

Über den Film

Originaltitel

Ping Pong Paradise

Deutscher Titel

Ping Pong Paradise

Produktionsland

DEU

Filmdauer

111 min

Produktionsjahr

2025

Regisseur

Egert, Jonas

Verleih

Cine Global, Daniel Ludwig

Starttermin

23.10.2025

 

„Ping Pong Paradise“ verwendet ein beliebtes Schema des Sportfilms: Das Dokumentarfilm-Team begleitet eine Mannschaft über eine Saison, doch im Falle des TTC Neu-Ulm und der Saison 22/23 sind es gleich zwei Mannschaften, um die es geht. Als die russischen Streitkräfte mit der Invasion der Ukraine beginnen, werden alle russischen Tischtennisspieler international gesperrt. Das trifft den TTC Neu-Ulm hart, denn das Rückgrat seiner Mannschaft, die in der Tischtennis-Bundesliga und in der Champions League aussichtsreich mitmischt, bilden 3 russische Starspieler. Kurzentschlossen öffnet Vereinspräsident Florian Gebert seine Geldschatulle und kauft ein internationales Starensemble um den Deutschen Dimitrij Ovtcharov (ehemalige Nummer 1 der Weltrangliste) und den Japaner Tomokazu Harimoto zusammen, das in der Champions League tatsächlich das Halbfinale erreicht. National sind die „Neu-Ulmer Russen“ aber noch spielberechtigt, sie hängen sich gewaltig rein und werden deutscher Pokalsieger. Doch dann wird der Weg für die Neu-Ulmer steinig: Gegen den Verein werden Sanktionen verhängt, die Gebert nicht erfüllen mag, in den Mannschaften beginnt es zu kriseln, das Ende des Wegs ist erreicht. 2024 wird sich der TTC Neu-Ulm auflösen.

Zu Beginn des Films sehen wir Dimitrij Mazunov, den Trainer der Neu-Ulmer an einer Tischtennis-Platte stehen, auf der er Tischtennisbälle in Rotation versetzt. Mit Engelsgeduld weist er auf diese Weise nach, dass die Tischplatte eine minimale Schieflage hat und nachjustiert werden muss. Da bekommt man schon eine erste Ahnung vom Profi-Tischtennis. Hier geht es um kleinste Details, um maximale Präzision. Und warum das so ist, wird bei den ersten Ballwechseln klar. Was für ein unvorstellbares Höllentempo! Das Auge der „Normalverbrauchers“ ist mit diesem Highspeed-Sport zu Beginn erstmal überfordert.

Da das menschliche Auge jedoch schnell dazulernt, kann man schon bald dem Weg der Bälle besser folgen und die faszinierenden Bilder genießen, die der Kameramann Felix Riedelsheimer eingefangen hat, und die von Anja Pohl dynamisch montiert wurden. Hier hat „Ping Pong Paradise“ seine stärksten Momente. Das ist vor allem den Neu-Ulmer Weltstars und der Tischtennis-Legende Timo Boll zu verdanken. Er spielt 22/23 für den Neu-Ulmer Erzrivalen Borussia Düsseldorf und sorgt mit für die spektakulärsten Ballwechsel des Films.

Abseits der Tischtennis-Platte beschränkt sich der Film darauf, den Spielern in die Kabine, in ihre Hotels und ins Restaurant zu folgen, wo sie bergeweise Kohlenhydrate in sich hineinschaufeln. Und das ist ein bisschen schade, denn man lernt sie als moderne, junge Musterprofis kennen, die sich genauso verhalten, wie es heutzutage von jungen Musterprofis erwartet wird: brav, glatt, diszipliniert, früh ins Bett gehend. Das mag für ihre sportliche Karriere durchaus förderlich sein, aber es gibt im Neu-Ulmer Tischtennis-Ensemble dadurch weder einen „bad Boy“ noch überhaupt Reibung und Konflikte. Wer sich mit Tischtennis nicht so gut auskennt, findet dann kaum noch Berührungspunkte. Hinzu kommt, dass der Regisseur Jonas Egert die Strippenzieherei hinter den Kulissen – die am Ende ja das Schicksal des TTC-Neu-Ulms besiegelt – beinahe komplett ausspart. Man sieht lediglich Trainer Mazunov kurz mit einem Spielervermittler telefonieren, in einem Radiobeitrag wird die ja eigentlich ziemlich fragwürdige Praxis, weltweit Spieler einzukaufen und eine Retortenmannschaft zu formen, thematisiert … und das war’s auch schon.

So hinterlässt „Ping Pong Paradise“ einen zwiespältigen Eindruck. Für Fans dieses Sports ist der Film allerdings bedingungslos zu empfehlen. Eher ein Nischenfilm, aber interessant und mit faszinierenden Bildern.

 

Gaby Sikorski

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