Befinden sich Männlichkeit in der Krise? Man könnte es denken, gerade auch, wenn man die Filme sieht, die Jonas Rothlaender dreht. Vor zwei Jahren beschäftigte er sich in „Das starke Geschlecht“ mit Geschlechterrollen und Erwartungen, in „Power of Love“ geht es nun in einer fiktiven Geschichte um dasselbe Thema.
Power of Love
Deutschland 2023
Regie & Buch: Jonas Rothlaender
Darsteller: Saara Kotkaniemi, Nicola Perot, Outi Mäenpää, Cecilia Paul, Elmer Bäck, Timo Torikka
Länge: 105 Minuten
Verleih: missingFILMs
Kinostart: 3. Oktober 2024
FILMKRITIK:
Die Finnin Saara (Saara Kotkaniemi) und der Deutsche Robert (Nicola Perot) sind ein Paar und scheinbar sehr glücklich. Seit einer Weile leben sie zusammen in Finnland, wo sie zunehmend erfolgreiche Wissenschaftlerin ist, er weniger erfolgreich an seiner Doktorarbeit sitzt. Auf ganz unkomplizierte und moderne Weise scheint die Rollenaufteilung zu funktionieren, er kümmert sich um den Haushalt, sie verdient das Geld. Auf ungewöhnliche Weise funktioniert auch das Sexleben des Paares: Bewusste Machtspiele findet statt, ein Wechsel des dominanten Parts, Fesseln, fast sadomasochistische Spiele.
Doch schon früh zeigen sich Momente der Irritation, zeigen sich erste Risse in diesem ungewöhnlichen Beziehungskonstrukt. Und als das Paar zu einem Kurzurlaub in den ländlichen Norden des Landes aufbricht, eskaliert die Situation zunehmend. Beim Besuch von Saaras Mutter spielt Robert so wenig überzeugend den Macho, der sich von seiner Partnerin bedienen lässt, dass die Mutter spitz anmerkt, das Saara wohl bewusst mit einem Weichei zusammen ist, das sie leicht kontrollieren kann.
Offenbar trifft sie damit ins Schwarze, denn zunehmend zieht sich Saara zurück, scheint an der Form der Beziehung zu Robert zu zweifeln. Erst recht als Robert gesteht, dass ein Antrag für ein Stipendium abgelehnt wurde, er also weiterhin auf volle finanzielle Unterstützung durch Saara angewiesen sein wird. Ist das die moderne Form einer Beziehung, wie sie Saara sich vorgestellt hat?
An den Rändern Europas siedelt Jonas Rothlaender seine Dramen gerne an, in denen er auf oft unerbittliche Weise Beziehungsmuster seziert. In seinem Debütfilm „Fado“ artete eine Beziehung zunehmend in Stalking aus, damals war Lissabon der Schauplatz. Nun sind es die einsamen Landschaften Finnlands, in denen sich eine Beziehung zuspitzt, wo sich ein Paar der Frage gegenübersieht, auf welche Weise es zusammenleben will.
Besonders der Sex spielt dabei eine wichtige Rolle, bei dem mal er, aber meist sie die Kontrolle hat, wobei auch dabei stets die Möglichkeit, aber auch die Gefahr besteht, dass der Mann, als der auch in diesem Fall körperlich stärkere, dann doch macht, was er will. Die gewollten, aber auch die unerwarteten Folgen von Jahrzehnten der Emanzipation zeigen sich hier: Denn es sind nicht nur die Männer, die Macht und Dominanz abgeben oder zumindest teilen müssen, sondern auch die Frauen, die es im Gegenzug wollen oder zumindest akzeptieren müssen, dass sie nun mehr Macht, aber damit oft auch deutlich mehr Verantwortung haben.
Was das bedeutet ist das Thema der Filme von Jonas Rothlaender, der Dokumentation „Das
starke Geschlecht“, in der zwar nur Männer zu Wort kommen, es aber dezidiert um Männer und um Frauen geht, und nun zum zweiten Mal in einer fiktiven Versuchsanordnung. Ein wenig mag dieser Begriff allerdings auch andeuten, dass „Power of Love“ immer wieder droht, allzu didaktisch zu werden, dass seine beiden Hauptfiguren bisweilen wie Typen wirken, die bestimmte Rollenmuster verkörpern, aber nicht immer als runde Charaktere funktionieren. Vor allem als Kopfübung weiß „Power of Love“ dadurch zu überzeugen, als Film, der interessante Fragen über Formen moderner, mehr oder weniger emanzipierter Paarbeziehungen stellt.
Michael Meyns