Ihre Weltpremiere feierte die japanisch-chinesisch-französische Koproduktion „Ramen Shop“ 2018 in der Berlinale-Sektion Kulinarisches Kino. Ein überaus passender Programmplatz, denn immerhin rückt der chinesische Regisseur Eric Khoo („Wanton Mee“) das Kochen und Essen auf betont sinnliche Weise in den Fokus des Films. Auf der Suche nach seinen familiären Wurzeln reist ein japanischer Nudelsuppenkoch nach Singapur, wo er einen lang bestehenden Familienkonflikt aufdröselt. Ein sensibles Drama über die verbindende Kraft des Essens, dem es jedoch etwas an erzählerischem Fleisch fehlt.
Webseite: www.neuevisionen.de
OT: Ramen Teh
Japan, Singapur, Frankreich 2018
Regie: Eric Khoo
Darsteller/innen: Takumi Saito, Jeanette Aw, Mark Lee, Tsuyoshi Ihara, Seiko Matsuda, Shogen, Beatrice Chien, Tetsuya Bessho
Laufzeit: 90 Min.
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 6. Juni 2019
FILMKRITIK:
Der junge Masato (Takumi Saitoh) lebt in der kleinen japanischen Stadt Takasaki, wo er im Restaurant seines strengen Vaters Nudelsuppen kocht. Seine chinesische Mutter starb, als er zehn Jahre war. Als auch der Vater unerwartet verstirbt, reist Masato auf der Suche nach den eigenen Wurzeln ins Heimatland der Mutter nach Singapur. Zusammen mit der japanischen Food-Bloggerin Miki (Seiko Matsuda) spürt er der Geschichte seiner Eltern nach und will ergründen, warum ein Riss durch die chinesisch-japanische Familie geht.
Masatos ebenfalls kochender Onkel Ah Wee (Mark Lee) begegnet dem Neffen mit Wohlwollen, doch die Großmutter Madam Lee (Beatrice Chien) will vom Enkel zunächst nichts wissen. Der Grund liegt in der Zeit des Zweiten Weltkriegs: Die japanischen Kriegsverbrechen an der chinesischen Bevölkerung haben die Großmutter geprägt, weswegen sie strikt dagegen war, dass ihre Tochter einen Japaner heiratete.
Schon der Titel „Ramen Shop“ verweist auf die hohe Bedeutung, die kulinarische Genüsse für die Charaktere des Films, aber auch den Film als solchen haben. Masatos Annäherung an die unbekannte Verwandtschaft geht durch den Magen. Der Onkel weiht ihn in ein Familienrezept ein, das die japanische Ramen-Suppe und die traditionelle Schweinerippchensuppe aus Singapur miteinander kombiniert – hier wird ein Gericht zur Metapher für die Familienwirren. Die Versöhnung muss hier eine kulinarische sein.
Seine größten Stärken entfaltet das Drama, wenn es ums Essen geht: Die Suche nach Zutaten auf dem Wochenmarkt, das Köcheln der Suppe, die beiläufigen Gespräche beim Zubereiten der Speisen. Der Film scheint wie gemacht für die Berlinale-Sektion Kulinarisches Kino, bei der die Gäste zum Screening ein Buffet serviert bekommen. Der Appetit stellt sich beim Anblick der pittoresken Koch- und Essensszenen fast zwangsläufig ein.
Doch während Eric Khoo den sinnlichen Aspekt des Kochens in schönen Bildern vermittelt, bleibt der historisch aufgeladene Generationskonflikt etwas seicht. Mitunter schwillt die Musik überdramatisch an, was die Konflikte zu eindeutig ausbuchstabiert. Masatos vage Kindheitserinnerungen und die tränenreiche Auflösung interessieren weniger als der wahre Augenschmaus des Films: die Gaumenfreude.
Christian Horn