Red Rocket

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Seit Jahren ist Sean Baker mit seinen rohen, authentischen Filmen ein Liebling der Kritiker und staubt mit seinen Werken bei Festivals Preise ab. Auch „Red Rocket“ ist wieder eine Wucht von einem Film. Im Mittelpunkt steht ein abgehalfterter Porno-Star, der aus Los Angeles zurück in seine texanische Heimat kommt. Als er im Donut-Laden die 17-jährige Strawberry kennenlernt, sieht er die Chance auf ein Comeback – mit ihr an seiner Seite. Wie immer bei Baker: ein direkter, packender, ehrlicher Film.

Website: https://www.upig.de/micro/red-rocket

USA 2021
Regie: Sean Baker
Buch: Sean Baker, Chris Bergoch
Darsteller: Simon Rex, Suzanna Son, Bree Elrod, Brenda Deiss

Länge: 130 Minuten
Verleih: Universal
Kinostart: 14. April 2022

FILMKRITIK:

Mikey (Simon Rex) war mal ein Porno-Star, aber alles ging den Bach runter, weswegen er gezwungen ist, in seine texanische Heimatstadt zurückzukehren und bei seiner Ex unterzukriechen. Was er nun mit seinem Leben anstellen soll, weiß er nicht, aber als er im Donut-Laden die 17-jährige Strawberry kennen lernt, hat er eine Idee. Sie könnte der neue große Porno-Star sein – und er hätte sie entdeckt und würde die Vermarktung übernehmen. Aber erstmal muss er sie überzeugen, dass das ein legitimer Lebensweg ist.

Sean Baker, der nichts mit Agenten zu tun haben will, schickte Simon Rex direkt das Drehbuch. Sie sprachen am Telefon, drei Tage später begannen die Dreharbeiten. Der ehemalige VJ und Schauspieler passt wie die Faust aufs Auge, hat er Mitte der 1990er Jahre doch selbst in Pornos mitgewirkt.

Baker arbeitet auch gerne mit Leuten, die es in der Branche nicht weit gebracht haben. Oder Leuten, die gar keine Schauspieler sind. Er sucht nach dem Echten, und das fand er bei „Red Rocket“ in Suzanna Son, die er zwei Jahre zuvor einmal traf, kurz mit ihr sprach und Kontaktdaten austauschte. Als es Zeit für „Red Rocket“ wurde, lud er sie zum Vorsprechen ein. Ohne große Erfahrung spielt Son hier mit schauspielerischer Wucht.

Sie ist eine echte Entdeckung – so wie Mikey in Strawberry die große Entdeckung sieht. Son spielt unglaublich charmant, unschuldig, aber im Verlauf der Geschichte immer reifer werdend. Simon Rex ist nicht minder charmant, immer optimistisch, immer gut drauf, immer auf das große Glück hoffend, aber mit einem gewissen Gruseligkeitsfaktor. Denn so, wie sich Mikey an Strawberry heranmacht, kann das gar nicht anders sein. Ob Mikey sich je in Strawberry verliebt, lässt sich nicht sagen. Er mag sie wohl, aber vor allem ist sie sein Ticket zurück. Und doch findet man ihn irgendwie in seiner narzisstischen Art und Weise sympathisch – das ist vor allem Simon Rex‘ Spiel anzurechnen.

„Red Rocket“ ist mit 130 Minuten Laufzeit durchaus lang, aber nie langweilig. Baker bleibt immer nahe an seinen Figuren, die wie immer bei seinen Filmen eher dem unteren Rand des sozialen Spektrums zuzurechnen sind. Die Stärke von Bakers Filmen ist immer ihre Wahrhaftigkeit. Man hat nicht den Eindruck, Schauspielern, sondern echten Menschen zuzusehen. Das gilt auch für „Red Rocket“, der eine ernste Geschichte erzählt, darin aber viel authentischen Humor findet. Ein starker Film, den man so schnell nicht vergisst – weil er so unscheinbar und doch so wirkmächtig ist.

 

Peter Osteried