Reine Geschmacksache

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Mit teilweise autobiografischen Erfahrungen gespickt ist Ingo Raspers im Januar 2007 beim Max-Ophüls-Festival in Saarbrücken mit drei Preisen, darunter dem des Publikumslieblings, ausgezeichnetes Langspielfilmdebüt. Rasper schickt in seiner Komödie einen führerscheinlosen Handelsvertreter (Edgar Selge) für Damenoberbekleidung durch die Provinz. Als Chauffeur wider Willen hat er seinen vor seinem Coming-Out stehenden Sohn verpflichtet. Wie schon der Titel es verrät: vieles in diesem Debüt ist reine Geschmacksache.

Webseite: www.reinegeschmacksache.de

Deutschland 2007
Regie: Ingo Rasper
Darsteller: Edgar Selge, Florian Bartholomäi, Franziska Walser, Roman Knizka, Traute Hoess, Horst Krause, Gottfried Breitfuß, Waldemar Kobus, Irm Hermann, Eva Löbau, Jessica Schwarz u.a.
105 Minuten
Verleih: Filmlichter
Kinostart: 9.8.2007

Preise: 28. Max-Ophüls-Preis 2007 - "Publikumspreis", "Bester Nachwuchsdarsteller", "SR/ZDF-Drehbuchpreis"
18. Internationales Filmfest Emden-Norderney - "NDR Nachwuchspreis"

PRESSESTIMMEN:

Beschwingte und gut beobachtete Familienkomödie mit nachdenklichen Untertönen, die von Menschenkenntnis zeugt und in erster Linie unbeschwerte Unterhaltung bieten möchte. Die Anlehnung an gängige Fernsehformate und -ästhetiken trübt die Freude an diesem kleinen Film allerdings ein wenig.
film-dienst

So unverbraucht wie das Milieu ist alles an diesem entzückenden Film, und der Humor ist richtig gut.
Brigitte

Pressestimmen auf film-zeit.de hier...

FILMKRITIK:

Würden nicht ab und an Regisseure und Drehbuchautoren provinzielles Leben auf die Leinwand bringen, man glaubte kaum, dass es Figuren wie den von Edgar Selge mit großem Vergnügen gespielten Handelsvertreter Wolfgang Zenker überhaupt noch gibt. Als Spezialist für Damenoberbekleidung reist der durch die schwäbische Provinz (gedreht wurde im Bereich Ludwigsburg, wo der Großteil des Stabes um Jungregisseur Ingo Rasper an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert hat), immer noch voller Überzeugung, seine Geschäftspartner und Kundinnen würden nach wie vor auf altbackene Mode stehen. Als sein jüngerer Kollege (Roman Knizka) eine neue, mehr einem jüngeren Geschmack und Publikum gehorchende Produktlinie ins Programm bekommt und damit auch bei Zenkers Kunden die Klinken putzt, tut sich Zenker selbst in seinen verlässlichen Stammhäusern mit seiner immergleichen Verkaufsmasche schwer.
 

Auch privat hat der leicht aus der Haut fahrende Familienvater einen schweren Stand. Das Fass zum Überlaufen bringt der Verlust des Führerscheins. Kurzerhand streicht Zenker seinem Sohn Karsten den Abiurlaub mit Sprachkurs in Barcelona und verpflichtet ihn als neuen Chauffeur. Dass der auf einer Tour zufällig den Konkurrenzkollegen des Vaters kennen lernt und sich in ihn verliebt, ist dabei erst der Anfang zumindest für den Zuschauer vergnüglicher Situationen. Die gipfeln in einer Privatpension von Frau Zenkers Freundin, in der die Vertretergattin (Franziska Walser) wegen des unmöglichen Verhaltens ihres Mannes kurzzeitig umgezogen ist.

Der deutsche Film scheint derzeit im familiären Umfeld spielende Stoffe für sich entdeckt zu haben. Wo „Urlaub vom Leben“, „Das wahre Leben“, „Ping Pong“, „Sommer am See“ oder bald auch die Walser-Verfilmung „Das fliehende Pferd“ sich mehr einer Psychologie der Figuren und der Ernsthaftigkeit der verhandelten Sache verpflichtet fühlen, setzt die vom SWR auch für die Reihe „Debüt im Dritten“ vorgesehene Produktion auf den Faktor provinzielles Lustspiel. In der Figurenzeichnung wie auch in der Inszenierung selbst macht sich dies immer wieder deutlich bemerkbar – was nicht heißt, dass es nicht doch auch starke, Tiefe erreichende Momente gäbe. Einer von ihnen betrifft etwa ein überraschendes Treffen zwischen den beiden verliebten Männern im Zimmer von Karsten (Florian Bartolomäi, Preis für den besten Nachwuchsdarsteller in Saarbrücken). Große Klasse ist auch ein zweifacher Cameoauftritt von Horst Krause („Schultze gets the Blues“), u.a. als Fachkraft einer Wäscherei.

Ganze Arbeit freilich hat in dieser von autobiografischen Erfahrungen – Ingo Raspers Vater war ebenfalls als Handelsvertreter unterwegs – geprägten Krisen- und Coming-Out-Komödie die Ausstattungsabteilung geleistet. Jedes noch so kleine Detail wurde unter dem strengen Kriterium der bewussten Geschmacksverirrung ausgewählt, viele der Details werden einem bei einem ersten Sehen gar nicht einmal auffallen. Ein wiederholter Kinobesuch drängt sich umgekehrt aber auch nicht auf.

Thomas Volkmann