Rendezvous in Belgrad

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Eine skurrile Komödie über das neue Belgrad mit Hang zur Übertreibung. Vier Liebesgeschichten, die alle irgendwie enden, so oder so, jedenfalls nicht lau. Und vier Paare, die so gemischt sind wie alles in dieser Stadt, die sich nach langen Jahren der Isolation in Weltoffenheit versucht. Und so spricht und liebt man in Englisch, Französisch, Serbokroatisch, Türkisch und Deutsch. Ebenso international ist die Besetzung dieses jungen, unverschämt selbpstironischen Porträts einer Stadt und ihrer Bewohner, in dem auch noch gesungen wird, und zwar sehr melancholisch und im Chor! Empfehlenswert anders und sehr unterhaltsam.

Webseite: www.rendezvous-in-belgrad.de

Serbien 2013
Regie: Bojan Vuletiae
Drehbuch: Bojan Vuletiae und Stefan Arsenijeviae
Darsteller: Julie Gayet, Marko Janketiae, Anita Manaeiae, Jean-Marc Barr, Nada Sargin, Baki Davrak
Filmlänge: 86 Minuten
Verleih: Film Kino Text, Vertrieb: Die Filmagentinnen
Start: 11. April 2013

PRESSESTIMMEN:

"Eine kuriose, dunkle Komödie mit eigenwilliger Poesie.“
Kino.de

"Dank origineller Figuren und erzählerischer Perspektiven sorgt „Rendezvous in Belgrad“ für anspruchsvolle Unterhaltung. Mit viel Ironie und Elementen des magischen Realismus entwirft Autor und Regisseur Bojan Vuletiæ einen Liebesreigen zwischen Bewohnern und Besuchern der serbischen Hauptstadt." 
Blickpunkt:Film

„Sehenswert. … Stadtporträt, Schräger Humor und sanfte Melancholie.
Bevölkert von einprägsamen Charakteren und eingerahmt von surrealen Chören, verströmt der Film gewinnend eigenwilligen Charme.“
Tip Berlin

„Die Episoden des Films handeln mal melancholisch, mal skurril, mal komisch – von der Liebe zwischen Belgradern und Zugereisten. Dieser Umstand … wird von Regisseur Bojan Vuletic mit solcher Leichtigkeit verhandelt, dass der Film Lust macht, die serbische Hauptstadt selbst kennenzulernen. Ziemlich gut.“
ZITTY Berlin

„Kein Film für Brüssel. Es ist eine komisch-melancholische Verzweiflung, die über den Liebesgeschichten dieses Films liegt.“
epd Film

„ein treffsicherer Kommentar, der das prekäre Gleichgewicht zwischen „Balkan“ und „Europa“ mit souveränem schwarzen Humor auf den Punkt bringt.“
film-dienst

FILMKRITIK:

Die französiche Sängerin Silvie (Julie Gayet), deren Lebensglück in Paris gerade zu Bruch gegangen ist, betrinkt sich besinnungslos, anstatt ein Konzert zu geben, und landet schließlich mit dem jungen Taxifahrer Stefan (Marko Janketiæ), der sie vom Flughafen zu ihrem Auftritt bringen sollte, mehr oder weniger nackt auf dem Rücksitz des Taxis und mitten in einem Kornfeld, was ihn seinen Job kostet. Dafür gewinnt er die Liebe, auch wenn sie nur diesen einen Moment dauert.

Die Managerin Melita (Anita Manaèiæ), die ihn gerade gefeuert hat, trifft nach dem Desaster des Konzertes ihren Geliebten Brian (Jean-Marc Barr) in einem Hotel. Allerdings entpuppt sich der angebliche amerikanische Diplomat, mit dem sie Belgrad endlich via Amerika entfliehen wollte, als jemand anderes. Derart desillusioniert entgleitet ihrer beider sowieso schon bizarres Liebesspiel in eine Zerstörungsorgie, in dessen Folge er im Gefängnis landet. Das Zimmermädchen Jagoda (Nada Šargin) wiederum hat sich vorgenommen, den deutschen Geschäftsmann mit türkischen Wurzeln Orhan (Baki Davrak) zu verführen, was ihr an diesem Abend auch mit Hilfe von Freunden und sehr viel Alkohol gelingt. Und schließlich endet die Liebesgeschichte einer dieser Freundinnen (Hristina Popoviæ) mit einer serbisch-kroatischen Hochzeit. Das heißt fast bzw. fast nicht, denn auf dem Weg dahin offenbahren sich Braut und Bräutigam (Leon Luèev) ihre letzten Geheimnisse, und danach sieht es erst einmal gar nicht mehr nach Hochzeit aus.

Dieser Reigen der Liebeleien erinnert natürlich an den berühmten Prototyp von Arthur Schnitzler, hat mit dessen Versuchsanordnung über das Wesen der bürgerlichen Liebe aber so wenig zu tun wie deutsche Salonmusik mit einem Chor serbischer Stewardessen, die in hellblau lächelnder Uniformität von den Sehnsüchten der Verliebten singen.

So jedenfalls eröffnet der junge Regisseur Bojan Vuletiæ (Jahrgang 1977) die vier Episoden von der Liebe und dem dazugehörigen Leid, und gibt den Ton vor und die Brille, mit denen er uns hören und sehen lässt: skurril, melancholisch und stellenweise sarkastisch. So schaut er auf seine Heimatstadt Belgrad und ihre Bewohner, dass man vom Lachen ins Staunen ins Grübeln kommt und wieder zurück. Ein Reigen eben.

Gemeinsam mit der Kamerafrau Jelena Stankovic (Jahrgang 1974) zeigt er das Bemühen der Stadt, die durch politische Wirren und Krieg viel nachzuholen hat, um wirtschaftlichen Aufschwung und Weltoffenheit in einer Art komischer Verzweiflung. Erfrischend unkompliziert stellen sie das noch unerreichte Neue neben das abgetakelte Alte, und postieren dazwischen dekorative Liebespaare, als wäre das die Lösung von allem.

Und vielleicht ist ja die Liebe, so skurril oder tragikomisch sie auch daherkommen mag, das, was die Schattenseiten dieses Versuchs, in der Mitte Europas anzukommen, mit Herzenswärme und schrägem Humor aufwiegt.

Dass man das glauben mag liegt vor allem an den wunderbaren Schauspielern, die dem Drehbuch und ihren teils abseitigen Figuren ganz vertrauen. Darüber hinaus steckt in jeder der vier Geschichten mindestens ein Moment der Überraschung, der die Gefahr drohender Vereinfachung mit Originalität umschifft.

Der Film präsentiert sich in vier Kapiteln vom Verlieben bis zur Hochzeit, kann so dem filmischen Realismus ein Schnippchen schlagen und letztlich alles machen, was er will. Zum Beispiel jedes Kapitel mit einem dieser balkantypischen melancholisch-sentimentalen Liebeslieder beginnen. Vorsicht Folklore? Weit daneben. Sie werden von wechselnden Chören der Berufsgenossenschaft, die gerade am Ort der Handlung ist, gesungen, also von Stewardessen, Zimmermädchen, Straßenbauarbeitern, Gefängnisinsassen und sogar einer Antiterroreinheit in voller Bewaffnung. Und das wird hoffentlich niemand zu synchronisieren versuchen.

Überhaupt ist dieses sprachliche Durch- und Miteinander von Englisch,Französisch, Serbo-kroatisch, Türkisch und Deutsch ein großer Genuss. Die Dialoge sind sparsam, aber prägnant und witzig auch dadurch, dass beispielsweise eine der starken Frauenfiguren mitten im Satz in die andere Sprache switsched, weil der Liebhaber nur englisch versteht, die Mutter aus dem Nebenzimmer aber auf serbo-kroatisch nervt und also in der Muttersprache abgewimmelt werden muss, was die Frau dem Liebhaber freilich als etwas völlig anderes wieder ins Englische übersetzt.

Wer kann, sollte sich den Film also unbedingt O.m.U. anschauen.

Auch der Originaltitel „Practical Guide to Belgrad with Singing and Crying“ trifft den verspielt ironischen Ton dieser unterhaltsamen Komödie mit satirischem Potential viel besser als die an Unverbindlichkeit nicht zu überbietende deutsche Übertragung.

International ist auch die Besetzung dieses jungen, unverschämt selbstironischen Porträts einer Stadt und ihrer Bewohner. Empfehlenswert anders und sehr unterhaltsam.

Caren Pfeil

Der Regisseur Kusturica ist Serbe, und er hat mit seinen skurrilen Produktionen ein wenig den Ton angegeben, mit dem die Serben in neuerer Zeit ihre Filme machen: wild, laut, musikreich, ziemlich originell. So ungefähr ist auch Bojan Vuletics „Rendez-vous in Belgrad“ geworden.

Es kommt noch ein ungewöhnlicher Aspekt hinzu: Es wird um Touristen für Belgrad geworben; es wird gesagt, dass die Stadt den Balkan-Krieg (Serben gegen Kroaten, Kroaten gegen Serben, Muslime gegen Christen, alle gegen alle) überwunden habe und ein aufwärts strebender Gastgeber sei; es wird gesagt, dass Serbien zu Europa gehöre und unbedingt die Aufnahme in die Europäische Union anstrebe; usw. – ein eher kurioser Filmstil. Aus vier Geschichten besteht der Streifen.

Die französische Sängerin Silvie hat soeben ihren Liebsten verloren und keine Lust in Serbiens Hauptstadt zu einem Konzert anzutreten. Den Fahrer, der sie an Ort und Stelle chauffieren soll, bringt sie zur Verzweifelung. Denn sie will trinken, weinen, schreien, davonlaufen, bei ihm Trost finden. Er verliebt sich sofort in sie. Doch sie reist wieder ab.

Melita träumt von einem Leben in Amerika. Sie hat sich Brian angeschlossen – und nicht nur das -, der sich als Diplomat ausgegeben hat. In Wirklichkeit ist er nur Koch in der amerikanischen Botschaft. Entsprechend dramatisch verläuft sein Geständnis sowie seine Weigerung, in die Vereinigten Staaten zurückzukehren – aber auch ihre Wut. Alles für die Katz.

Der deutsch-türkische Geschäftsmann Orhan hat sein Flugzeug verpasst. Jetzt muss er noch einen Tag länger in Belgrad bleiben. Bei einer Junggesellinnenparty will das Zimmermädchen Jagoda sich ihn schnappen. Trotz Sex vergeblich. Offenbar ist das Verlangen nach westlichen Männern groß – und lohnend.

Mato ist kroatischer Polizist, Djurdja serbische Polizistin. Es ist der Tag der Hochzeit der beiden. Mato will vor der Heirat noch reinen Tisch machen und gesteht Djurdja einen Fehltritt. Sie läuft ihm davon. Er findet sie. Was sie alles angestellt hat und jetzt ebenfalls beichtet, scheint noch viel schlimmer zu sein. Klappt es trotzdem?

Gespielt wird durch die Bank gut.

Wie gesagt eine serbische Tragikomödie, die übertrieben und schrill daherkommt, aber der die Originalität keineswegs fehlt.

Thomas Engel