Restless

Zum Vergrößern klicken

Sie sind jung und doch blicken sie bereits mit einer ganz besonderen Haltung auf sich und die Welt. In Gus Van Sants sensiblem Independent-Drama „Restless“ kommt es zu einer Begegnung zweier Teenager, deren unterschiedliche Erfahrung mit dem Tod ihr Leben auf besondere Weise prägt. Zwischen den Außenseitern entwickelt sich eine kurze, überaus eindringliche Liebe. In den Hauptrollen sind Shooting-Star Mia Wasikowska und ein ziemlich charismatischer Henry Hopper – Sohn von Hollywood-Legende Dennis Hopper – zu sehen.

Webseite: www.restless-film.de

USA 2011
Regie: Gus van Sant
Drehbuch: Jason Lew
Kamera: Harris Savides
Musik: Danny Elfman
Darsteller: Henry Hopper, Mia Wasikowska, Ryo Kase, Schuyler Fisk, Jane Adams
Laufzeit: 91 Minuten
Kinostart: 20.10.2011
Verleih: Sony

PRESSESTIMMEN:

...

FILMKRITIK:

Jugend und Tod. Was zunächst wenig miteinander gemein zu haben scheint, ist in „Restless“ als Gefühl und Motiv allgegenwärtig. Denn obwohl Annabel (Mia Wasikowska) und Enoch (Henry Hopper) noch Teenager sind, deren Lebenswirklichkeit eigentlich aus Schulproblemen und der ersten großen Liebe bestehen sollte, beschäftigen sie sich fortlaufend mit der Endlichkeit ihrer Existenz. Sie tun dies jedoch nicht immer freiwillig, vielmehr zwingt das Schicksal ihnen ein solch ungewöhnliches „Hobby“ förmlich auf. Während der verschlossene Enoch nach dem Unfalltod der Eltern bei seiner Tante aufwächst, erhält die lebensfrohe Annabel eines Tages die schreckliche Diagnose Krebs. Beide entwickeln dadurch eine besondere Beziehung zu ihrer Sterblichkeit. So sucht Enoch regelmäßig Beerdigungen von ihm unbekannten Menschen auf. Allein das Gefühl inmitten der Trauernden und die dabei spürbare Nähe zum Tod scheinen in ihm etwas auszulösen und eine Lücke auszufüllen.

Auf einen dieser Trauerfeiern begegnen sich Enoch und Annabel das erste Mal. Zu diesem Zeitpunkt ahnt er nicht, dass sie nur noch wenige Monate zu leben hat. Später dann bittet sie ihn, diese wenige Zeit mit ihr zu verbringen. Es wird eine kurze, dafür aber umso intensivere Liebe, die beide verbindet und die sich so sehr von den üblichen Teenager-Romanzen unterscheidet. Gerade die Erkenntnis, dass keine Zeit bleibt, um all das zu machen, was man sich noch vorgenommen hat, lässt Enoch bisweilen an der Welt verzweifeln.

„We have so little time to say any of the things we mean. We have so little time for any of it“ heißt es passend dazu an einer Stelle. „Restless“ hebt sich jedoch nicht allein aufgrund seines dramatischen Unterbaus von anderen, ähnlich gelagerten Liebesgeschichten und Coming-of-Age-Erzählungen wie „Garden State“ ab. Dessen Independent-Touch ist zwar auch hier als Gefühl und Hintergrundrauschen jederzeit, präsent, gleichzeitig bringt Gus Van Sant seine ganz eigene Handschrift in das unter anderem von Bryce Dallas Howard geförderte Projekt mit ein. Van Sant, der wie kaum ein zweiter Regisseur Erfahrung im Umgang mit jugendlichen Charakteren auf der Schwelle zum Erwachsenwerden hat, lässt Enoch und Annabel den Raum, den sie auf ihrer schwierigen Reise benötigen. Statt jedes Gefühl in eindeutigen Bildern zu erdrücken, hält sich die Kamera angenehm zurück. Dafür bleiben die wenigen, wirklich prägnanten Eindrücke lange im Gedächtnis. Der Kreidekreis, den Enoch um sich und Annabel zieht, ist dabei eines dieser sparsam eingeflochtenen Motive.

Auch Enochs imaginärer Freund Hiroshi (Ryo Kase), ein im zweiten Weltkrieg verstorbener Kamikazepilot, ist eine Figur, wie man sie nur selten in dieser Art von Film findet. Damit schlägt „Restless“ zugleich eine Brücke in die Welt des fantastischen Kinos, wobei Van Sant dieses besondere Element nie überbetont oder als skurrilen Drehbucheinfall versteht. Am Ende fügt sich sogar der unsichtbare Begleiter in Enochs und Annabels Liebe ein.

Es wäre allerdings vermessen, den Film aufgrund seiner kleinen, an sich wenig spektakulären Geschichte bereits in den höchsten Tönen zu loben, zumal das Verhalten unserer beiden Seelenverwandten nicht immer glaubwürdig erscheint. Die letzte Viertelstunde ist in dieser Hinsicht ein etwas zu offensichtlicher Kompromiss, über den „Restless“ vor allem die Konventionen solcher Geschichten zu erfüllen sucht. Weil aber Henry Hopper und Mia Wasikowska selbst diesen Makel mit ihrem gefühlvollen, sensiblen Schauspiel überstrahlen, kann es letztlich nur bei einer uneingeschränkten Sehempfehlung bleiben.

Marcus Wessel

Annabel ist ein hübsches junges Mädchen. Doch es fällt sofort auf, dass sie sehr kurz geschorenes Haar hat. Ist da etwa etwas Schlimmes zu vermuten? Ja, sie hat einen bösartigen Gehirntumor – und nur noch wenige Monate zu leben. Sie versucht die unglückliche Situation zu verheimlichen. Gerade besucht sie ein Begräbnis.

Enoch ist ebenfalls auf dieser Beerdigung. Und nicht nur auf dieser. Er geht offenbar regelmäßig auf Begräbnisse – auch fremder Menschen. Warum? Sein Leben ist in totale Verwirrung gestürzt, seit er bei einem schrecklichen Autounfall beide Eltern verlor.

Enoch und Annabel treffen aufeinander. Der Junge verhält sich lange abweisend. Allmählich aber entwickelt sich eine Freundschaft.

Und dann eine wunderschöne Liebesgeschichte. Es kommt auch zu ein paar Missverständnissen und Auseinandersetzungen. Aber alles in allem entstehen bewegende Momente. Im Grunde läuft ein Kammerspiel ab, denn nahezu immer beherrschen Enoch und Annabel die Leinwand. Es werden kluge Dinge gesagt. Doch natürlich ist das von beiden erlebte Glücksgefühl ständig von einer stillen Wehmut überlagert.

Der Tod spielt zwangsläufig eine große Rolle. Man wird unwillkürlich darauf aufmerksam gemacht, dass man selbst eines Tages an die Reihe kommt – und indirekt aufgefordert, die beliebte Verdrängung des Sterbens nicht gänzlich unter den Tisch fallen zu lassen.

Mia Wasikowska spielt dieses todgeweihte und dennoch das kurze Glück genießende Mädchen mit einer frühen Meisterschaft, die Achtung abnötigt. Sie könnte einmal eine große Darstellerin werden.

Auch Henry Hopper – er hat womöglich mit dem berühmten Dennis Hopper zu tun, denn diesem ist der Film gewidmet – liefert eine reife Leistung ab. Beide Schauspieler bleiben im Gedächtnis haften.

Und Regisseur Gus Van Sant hat sich hier tatsächlich selbst übertroffen.

Thomas Engel