Revolution: Neue Kunst für eine neue Welt

Margy Kinmonth versucht das Unmögliche: Sie schnappt sich eine komplette Kunstepoche – die russische Avantgarde – und entwirft daraus eine Konstruktion, in der sich über mehr als 50 Jahre politischer und gesellschaftlicher Wandel Russlands widerspiegeln. Und das in knapp anderthalb Stunden – Respekt! Die kleine Dokumentation wird wohl vor allem ein kunstinteressiertes Publikum ansprechen, das sich an historischen Filmaufnahmen, Interviews mit Experten und Nachkommen der Künstler sowie an entsprechenden visuellen Zitaten und hübschen optischen Einfällen erfreuen kann.

Webseite: www.revolution.film

Dokumentarfilm
Großbritannien 2016
Sprache: englisch, russisch mit deutschem VO-Kommentar
Regie und Buch: Margy Kinmonth
85 Minuten
Verleih: ArtsAlliance
Kinostart: 2. März 2017

 

Über den Film

Originaltitel

Deutscher Titel

Revolution: Neue Kunst für eine neue Welt

Produktionsland

GB

Filmdauer

86 min

Produktionsjahr

2016

Regisseur

Kinmonth, Margy

Verleih

Starttermin

01.03.2017

 

FILMKRITIK:



Die Rolle der modernen Kunst in der jungen Sowjetunion war beinahe von Anfang an eine Geschichte der Unterdrückung und des Scheiterns. Schon lange vorher hatten sich avantgardistische Künstler immer weiter von den scheinbar unumstößlichen Regeln des Malens nach der Natur entfernt, sie hatten Farben, Formen und Perspektive neu für sich entdeckt. Mit der russischen Revolution setzte eine ungeheuer optimistische, teilweise futuristisch geprägte künstlerische Bewegung ein, die vor allem sehr junge Künstlerinnen und Künstler betraf. Ihr Werk, das sich auf Idealismus und Optimismus gründete, widmeten sie dem ganzen Volk. Sie inspirierten nicht nur als Maler oder Bildhauer die Kunstszene, sondern ihr Einfluss bezog sich auf die gesamte mediale Welt: Plakatkunst, Fotografie, Theater, Film, Presse, Architektur – überall wehte der Wind der Revolution. Doch nur wenige Jahre konnten die oftmals vielseitig begabten Künstler ihren Traum von einer neuen Welt in der neu gegründeten Sowjetunion leben. Spätestens mit der Machtübernahme Stalins war die Avantgardekunst im eigenen Lande unerwünscht bis verboten, Künstler wurden verfolgt, viele endeten im Rahmen von Stalins „Säuberungsaktionen“ in Arbeitslagern oder wurden hingerichtet. Einige wenige, unter ihnen Marc Chagall und Wassily Kandinsky, waren schon früh ins Ausland gegangen und konnten dort weiterarbeiten. Andere zogen sich aus der Öffentlichkeit zurück und widmeten sich dem Kunsthandwerk, die meisten wurden zu Überlebenskünstlern, die irgendwie versuchten, sich zu arrangieren.
 
Margy Kinmonth zeigt in Originalaufnahmen, Filmausschnitten und Zeitdokumenten das spannende Zusammenspiel von Politik und Kunst, das bald nach der Oktoberrevolution von 1917 zu einem Machtkampf wurde, in dem Sieger und Verlierer schnell feststanden. Neben Kunstexperten lässt sie die Enkel und Urenkel der Künstler zu Worte kommen. Und sie zeigt die Werke dieser Künstler, in denen sich die Radikalität ihrer Schöpfer ebenso spiegeln wie ihr Traum von einer besseren Welt. Viele dieser Bilder wären heute vergessen oder zerstört, wenn es nicht glücklicherweise ein paar mutige Menschen in Museen und Galerien gegeben hätte, die diese Werke retten konnten. Zur Untermalung und Abwechslung gibt es ein paar hübsch gemachte achsensymmetrische Trickaufnahmen, nachgestellte Spielszenen und eine Art revolutionäres Tanztheater nach dem Prinzip der „Biomechanik“, die vom russischen Theaterregisseur Wsewolod Meyerhold erdacht wurde, ebenfalls ein Vordenker seiner Kunst.
 
Wer sich also über die russische Avantgarde und über Ursprünge, Tendenzen und Wirkungen moderner Kunst informieren möchte, ist hier gut aufgehoben.
 
Gaby Sikorski

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