Rosie

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Achtung, hier kommt Rosie! Und sie ist unwiderstehlich: Mal rotzfrech, mal damenhaft wirbelt sie wie ein Tornado das Leben ihrer erwachsenen Kinder durcheinander. Und alles nur, weil Rosie unbedingt ihre Unabhängigkeit bewahren will. Eine Frau wie ein Vulkan und mindestens genauso unberechenbar – das ist die Steilvorlage für einen toll gespielten Film aus der Schweiz, der ebenso anspruchsvoll wie unterhaltsam ist. Und vor allem prall gefüllt mit Lebensfreude!

Schweizer Filmpreis 2013 „Beste Darstellerin“ Sibylle Brunner

Webseite: www.rosie-derfilm.de

Schweiz 2013
Regie: Marcel Gisler
Drehbuch: Marcel Gisler, Rudolf Nadler
Darsteller: Sibylle Brunner, Fabian Krüger, Sebastian Ledesma
Fassungen: deutsch; auch Schwiizerdütsch mit dt. Untertiteln möglich
Länge: 106 Minuten
Verleih: Kool Filmdistribution
Kinostart: 8.5.2014
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FILMKRITIK:

Eigentlich könnte das Leben für Lorenz wunderbar sein: Er lebt als halbwegs erfolgreicher Schriftsteller in Berlin, also schön weit weg von seiner Heimat in der Schweizer Provinz. Doch als Rosie, seine Mutter, ins Krankenhaus kommt, ist er als pflichtbewusster Sohn sofort zur Stelle; mit ihm seine Schwester Sophie. Beide machen sich Gedanken darüber, wie es mit der Mutter weitergehen soll. Eigentlich müsste sie ins Heim. Doch dabei vergessen sie, dass Rosie ihren eigenen Willen hat, und zwar einen sehr starken! Während Rosie sich langsam erholt, raufen sich Bruder und Schwester zusammen, Lorenz beginnt ein Verhältnis mit seinem Fan Mario, und Sophie bringt Ordnung in ihr Leben. Nebenbei findet Lorenz auch noch den Stoff für sein neues Buch, als er mithilfe seiner Mutter ein Familiengeheimnis aufdeckt.
 
Regisseur und Drehbuchautor Marcel Gisler hat mit Rudolf Nadler ein gutes Drehbuch mit starken, authentischen Charakteren und wunderbar lakonischen Dialogen geschrieben und sensibel inszeniert. Auf ausgestellte Theatralik verzichtet er ebenso wie auf holzhammerige Dialoge, wie man sie aus braven TV-Dramen kennt. Hier ist alles anders: Die Heldin säuft, ihr Sohn ist schwul, die Tochter quengelig – alles kein Thema. Es wird erfreulich wenig erklärt, eine Rechtfertigung findet nicht statt. Auch im wahren Leben gibt es für eingefahrene Beziehungsgeflechte keine einfachen Erklärungen, oder neudeutsch: Es ist kompliziert.
 
Dabei gelingt es Marcel Gisler, seinen Personen genau die realistische Ausstrahlung zu geben, die notwendig ist, um seine Geschichte glaubhaft und lebendig zu erzählen. Lorenz ist Mamas Liebling, dem seine stoische Ruhe im Umgang mit der Mutter hilft. Sophie ist die zickige Tochter, die von der Mutter genervt wird und kaum anders als aufbrausend auf sie reagieren kann. Rosie selbst ist alles andere als eine spießige Schweizerin; sie raucht und säuft, benimmt sich auch sonst deutlich abseits der Seniorennorm und hat sogar Spaß dabei. Das alles wirkt sehr unschweizerisch, weil so gar nicht dem Klischee entsprechend, aber deshalb umso interessanter.
 
Sibylle Brunner spielt die Rosie – und sie macht das so gut, dass sie den Schweizer Filmpreis als „Beste Darstellerin“ dafür erhielt. Kein Wunder! Sie stellt die Frau, die sich ihr Recht auf Selbstbestimmung bewahren möchte, so facettenreich dar, als wollte sie auf der Klaviatur der Emotionen eine Sinfonie spielen. Mal ist ihre Rosie kokett und kess, mal ernsthaft oder melancholisch, aber immer für eine Überraschung gut und so unberechenbar wie ein junges Kätzchen. Fabian Krüger ist Lorenz, ein Schwerintellektueller, der mit sich selbst nicht im Reinen ist, das aber gut versteckt; er spielt den Lorenz als eleganten Mann mit einem gewinnenden Lächeln und vor Geist sprühenden Augen, der dankenswerterweise vollkommen ohne schwule Klischees auskommt. Judith Hofmann zeigt sich in der Rolle der Sophie als nörgelige, unverstandene Frau, die sich endlich von der Mutter anerkannt fühlen möchte. Sebastian Ledesma ist Mario, Lorenz‘ schnuckeliger Fan und Liebhaber. Ledesma spielt ihn als Jungen mit viel Herz und Verstand, von dem Lorenz einiges lernen kann.
 
Trotz der zunächst wenig anheimelnden Thematik – alte Frau wird krank und soll ins Heim – entwickelt sich der Film zu einer veritablen Gute-Laune-Familiengeschichte mit vielen Überraschungen. Fazit: Rosie macht einfach Spaß!
 
Gaby Sikorski