Rückkehr nach Korsika

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Drei starke Frauen stehen im Mittelpunkt des Dramas „Rückkehr nach Korsika“. Eine Mutter und ihre beiden Töchter, die während eines Korsika-Urlaubs gegen soziale Ungerechtigkeit und Vorurteile kämpfen – und um das eigene (Liebes-) Glück. Der in Cannes uraufgeführte Film lebt von der Natürlichkeit der Darstellerinnen, die mit ihren eigenwilligen, ungekünstelten Darbietungen lange im Gedächtnis bleiben. Daneben erweist sich der Film vor allem visuell als Liebeserklärung an die bergige französische Mittelmeerinsel.

Frankreich 2023
Regie: Catherine Corsini
Buch: Naïla Guiguet und Catherine Corsini
Darsteller: Aïssatou Diallo Sagna, Esther Gohourou, Suzy Bemba, Lomane de Dietrich, Cédric Appietto

Länge: 106 Minuten
Verleih: Grandfilm
Kinostart: 14. März 2024

FILMKRITIK:

Als die Mittvierzigerin Khédidja (Aïssatou Diallo Sagna) mit ihren beiden Töchtern, der lebhaften Farah (Esther Gohourou) und der ruhigen Jessica (Suzy Bemba), in ihrer alten Heimat Korsika ankommt, markiert dies einen neuen Anfang und zugleich eine Heimkehr. Die Drei lassen sich in einem Campingplatz-Bungalow nieder und Khédidja beginnt eine Stelle als Kindermädchen. Vor allem sie ist es, die mit ihren (verdrängten) Erinnerungen ringt, während ihre Töchter eigene Abenteuer erleben: am Strand, mit ihren Freunden, auf Partys. Allmählich verstricken sich Farah, Jessica und Khédidja in individuelle Probleme und Herausforderungen. Aber auch die alte, unverarbeitete Familiengeschichte tritt zutage. Was verbirgt sich hinter dem frühen Tod des Vaters?

Catherine Corsini, die mit „Rückkehr nach Korsika“ ihren zwölften Spielfilm verwirklicht hat, folgt den Spuren einer Familie, über der der Schatten der unbewältigten Vergangenheit liegt. Der schwere Verlust des Vaters und Ehemannes taucht als Thema entsprechend oft auf, sehr lange erfährt man jedoch wenig über die wahren Hintergründe. Erst als sich Jessica in einem Dorf im Inneren der Insel auf Spurensuche begibt und währenddessen eine unerwartete Bekanntschaft macht, gewährt Corsini mehr Informationen.

Der Schwere des Themas (Verlust) setzt der Film die sommerlich-verheißungsvolle Stimmung und die schwärmerischen Bilder der Insel entgegen. Das zeigt sich schon bei der Anreise der Familie, als sie bereits vom Schiff aus einen tollen Blick auf Korsikas schroffe Küsten und weiße Strände gewährt bekommt. Die schönen Naturgebiete und pittoresken Buchten versetzen im weiteren Verlauf noch häufiger ins Staunen – stilvolle, detailreiche Landschaftsimpressionen bergig-zerklüfteter Hänge und Wälder, die eine traumhaft-hypnotisierende Wirkung entfalten. Im Mittelpunkt steht dabei oft Jessica, die mit ihren Freunden häufig am Wasser chillt oder ein Bad im Meer genießt.

Die 22-Jährige, sehr zurückhaltende und sensible Jessica ist die heimliche Hauptfigur des Films. Sie durchlebt eine intensive Phase der emotionalen Verwirrung rund um ihre eigene Identität. Und kurz darauf die Ekstase und überschäumenden Glücksgefühle, nachdem ihre Gefühle erwidert wurden. Suzy Bemba spielt die verwirrte Jung-Erwachsene jederzeit beachtlich glaubwürdig. Dasselbe gilt für Esther Gohourou als aufmüpfige Schwester und Aïssatou Diallo Sagna als verschlossene Mutter, die, als sie von der Homosexualität ihrer Tochter erfährt, ganz subtil ihre eigenen antiquierten Einstellungen zu Queerness und Diversität offenbart.

Der leichte und natürliche Eindruck, der beim Zuschauen entsteht, ist einerseits dem unverstellten Spiel der Darstellerinnen zu verdanken. Doch auch die sorgfältig durchkomponierte und Dynamik erzeugende Schnittarbeit trägt dazu bei. Ergänzend kommen wackelige, dokumentarisch anmutende Handkamerabilder hinzu, die dem Film etwas Wahrhaftiges verleihen.

Corsini arbeitet sich anhand der drei Hauptfiguren an einer Vielzahl von Inhalten ab. Es geht um die bereits erwähnte Trauer und den Verlust sowie Coming-of-Age-Themenbereiche wie Selbstakzeptanz und Identitätsfindung. Darüber hinaus stellt Corsini Rasse, Migration sowie gesellschaftliche Benachteiligung zueinander in Bezug. Und wirft die Frage nach der individuellen Fähigkeit auf, falsche Glaubenssätze zu hinterfragen. Und im besten Fall zu korrigieren.

 

Björn Schneider