Sabbatical

Von einem Sabbatical träumen viele Menschen: einmal ein Jahr lang nur das tun, was man will, während das Gehalt pünktlich jeden Monat auf dem Konto landet … Wie viele Träume lassen sich da erfüllen? In Judith Angerbauers pointiertem Familiendrama „Sabbatical“ werden eher die Alpträume wahr. Ausgerechnet im traumhaft schönen Griechenland, wo Tara und Robert sich Zeit füreinander und für ihre sechsjährige Tochter Nia nehmen wollten, stürzt die Familie in eine tiefe Krise.

 

Über den Film

Originaltitel

Sabbatical

Deutscher Titel

Sabbatical

Produktionsland

DEU

Filmdauer

99 min

Produktionsjahr

2024

Regisseur

Angerbauer, Judith

Verleih

Farbfilm Verleih GmbH

Starttermin

29.05.2025

 

Tara und Robert haben sich ein Jahr lang eine Auszeit genommen – ein Sabbatical, das sie an der griechischen Küste verbringen wollen, um endlich ihr Familienleben gemeinsam mit der kleinen Tochter Nia zu genießen. Das war zumindest der Plan, doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Statt in der entspannten mediterranen Atmosphäre füreinander da zu sein, macht jeder seins: Um Nia kümmert sich die Day Care, Workaholic Robert hängt den ganzen Tag am Telefon und arbeitet, und Tara, deren Schriftstellerinnenkarriere durch eine hartnäckige Schreibhemmung gestoppt wurde, lebt – wie zuhause in Deutschland – ihre Unzufriedenheit aus: Dauerstreit bestimmt den Tagesablauf. Als dann noch Roberts Bruder Jonathan, das schwarze Schaf der Familie – ein Mann, der Katastrophen anzieht wie ein dunkler Pullover die weißen Fusseln – überraschend zu Besuch kommt und Taras wenig schwägerliche Aufmerksamkeit erregt, scheint der endgültige Beziehungsknall vorprogrammiert. Doch dann ruft ein Unglück Roberts und Jonathans Eltern auf den Plan, was der nach Griechenland exportierten urdeutschen Streitkultur eine ganz neue Qualität verleiht.

Eigentlich erzählt Judith Angerbauer eine vollkommen vorhersehbare Geschichte: Ein Paar hat sich auseinandergelebt, die einzige und letzte gemeinsame Basis ist der Streit, das Ende der Beziehung ist absehbar … doch irgendwann im Verlauf der Geschichte begreift man, dass diese Beziehung gar nicht am Ende ist, sondern dass der Dauerstreit, das permanente sich gegenseitig Zerfleischen, der Kitt ist, der diese Beziehung tatsächlich zusammenhält. Judith Angerbauer hatte die einigermaßen geniale Idee, auf die Techniken des absurden Theaters zurückzugreifen und sich bei Größen wie Eugéne Ionesco zu bedienen, der die kaputten Streitrituale des Bürgertums entlarvte und zur Farce umgestaltete. Diesen Denkansatz hat sie – ganz ohne belehrenden Gestus – in die sensible, woke Gegenwart geholt und entlarvt nun ihrerseits die Spießigkeit unserer angeblich so aufgeklärten, fortschrittlichen Gesellschaft, indem sie den sich ständig wiederholenden Streitritualen minutiös folgt.

Ein gut ausgewähltes Ensemble setzt Judith Angerbauers Ideen konsequent und punktgenau um. Dabei bringen die präzise agierenden Darstellerinnen und Darsteller genau die richtige Portion Ambivalenz mit, um das Interesse des Publikums wach zu halten. Schwarz-Weiß-Malerei gibt es ebenso wenig wie eindeutige Schuldzuweisungen. Wir sehen Menschen zu, die aus ihren selbstgebauten Gefängnissen nicht mehr alleine herauskommen – Menschen, die wir nur zu gut kennen. Dem Ensemble gelingt es, pointiert mit- bzw. gegeneinander zu spielen, ohne die Nähe zur Charge zu suchen: großes Leinwand-Theater!

Judith Angerbauers „Sabbatical“ ist ein faszinierendes Beispiel für eine hochgradige Feinfühligkeit bezüglich Beziehungsmechanismen. Der Film seziert messerscharf die Mechanismen, die hinter ausgeleierten Beziehungen stecken, und hält Menschen, die derartige Konflikte gern verschweigen oder vertuschen, einigermaßen gnadenlos den Spiegel vors Gesicht. Ein psychologisches Kino-Vergnügen, nicht nur für Beziehungs-Streithähne und -hühner!

 

Gaby Sikorski

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