Schönefeld Boulevard

Zum Vergrößern klicken

Wie schon in ihrem Debütfilm „Kroko“ thematisiert Sylke Enders auch in ihrem neuen Film „Schönefeld Boulevard“ die Träume und Nöte einer Heranwachsenden. In diesem Fall ist das die 18jährige, schüchterne und übergewichtige Cindy, die am Rande Berlins vom Ausbruch aus ihrem tristen Alltag träumt, für den der nicht fertig werdende Großflughafen treffende Metapher ist.

Webseite: www.schoenefeld-boulevard.de

Deutschland 2014
Regie, Buch: Sylke Enders
Darsteller: Julia Jendroßek, Daniel Sträßer, Ramona Kunze-Libnow, Uwe Preuss, Jani Volanen, Kyra Sophia Kahre
Länge: 110 Minuten
Verleih: farbfilm Verleih
Kinostart: 14. August 2014
 

Pressestimmen:

"Sympathisches und pointiertes Coming-of-Age über den Traum, seinem Leben davonfliegen zu können."
KulturSPIEGEL

FILMKRITIK:

Cindy (Julia Jendroßek) lebt im Berliner Vorort Schönefeld, in einer tristen Gegend zwischen Stadt und Land, in die nur kommt, wer wegfliegen will. Mit ihren 18 Jahren steht Cindy kurz vor dem Abitur, doch dass danach alles anders oder gar besser wird, glauben weder sie selbst noch ihre Eltern, die ihre übergewichtige Tochter nicht ganz ernst zu nehmen scheinen. Ebenso wenig wie ihre Klassenkameradinnen, mit denen sich Cindy befreundet glaubt: Vor allem die blonde, hübsche Cindy One (Kyra Sophia Kahre) nutzt ihre Namensvetterin eher als Spielball für ihre Launen, als sie wirklich zu respektieren. Allein der etwas ältere Danny (Daniel Sträßer) ist Cindy Trost in ihrem Elend, auch wenn dieser sich hinter einer Fassade aus Sexismus und Sprüchen versteckt.

Als Danny als Zeitsoldat nach Afghanistan geht, bleibt Cindy allein zurück und lernt zufällig den deutlich älteren finnischen Bauingenieur Leif (Jani Volanen) kennen. Auch wenn dieser „nur“ aus Finnland kommt und selbst fast genauso schüchtern wie sie selbst ist, haftet ihm in den Augen Cindys doch der Duft der großen weiten Welt an. Mit ihrem unbeholfenen Charme und ihrem holprigen Schulenglisch verführt sie den unbedarften Finnen, doch die Romanze ist nur kurzlebig. Dennoch wird diese kurze Begegnung zum Beginn eines Wandels: Zunehmend selbstbewusst agiert Cindy, lässt sich von ihren Mitschülerinnen nicht mehr ohne Widerrede rumscheuchen, und nimmt ihr Schicksal selbst in die Hand. Selbst als Danny unverhoffterweise früh von seinem Einsatz zurückkehrt, lässt sich Cindy nicht von ihrem einmal eingeschlagenen Weg abbringen, der sie aus Schönefeld in die weite Welt führen soll.

Mit ihrem 2003 gedrehten Debütfilm „Kroko“ hatte Sylke Enders viel Gespür für die Lebenswelten einer jugendlichen Außenseiterin bewiesen und gekonnt eine klassische Coming-of-Age-Geschichte mit einer authentischen Milieustudie kombiniert. Nachdem sie zuletzt in „Mondkalb“ das Schicksal einer erwachsenen Heldin beschrieben hatte, kehrt sie mit „Schönefeld Boulevard“ zum Thema ihres Debütfilms zurück, kann allerdings dessen Qualität nicht erreichen. Das liegt weniger an der Hauptdarstellerin Julia Jendroßek, die zwar nicht die herbe Qualität einer Franziska Jünger hatte, die ihre Figur Kroko so unvergesslich machte, aber dennoch überzeugend agiert. Problematischer ist diesmal die Geschichte selbst, in der Enders immer wieder auf wenig glaubwürdige Wendungen zurückgreifen muss, um ihre dramaturgischen Ziele zu erreichen. Warum sich etwa ein über 40jähriger Mann einfach so in ein unbeholfenes Teenagermädchen verguckt, bleibt ebenso Behauptung wie der abrupte charakterliche Wandel, den Danny durch seinen Aufenthalt in Afghanistan erlebt.

Auch die bei „Kroko“ noch so gelungene Milieuzeichnung ist deutlich weniger authentisch, was auch daran liegen mag, dass Schönefeld als Stadtteil einfach nicht wirklich prägnant ist. Dass „Schönefeld Boulevard“ dennoch hier spielt, liegt somit eher am Wunsch der Regisseurin, sich des Flughafens und mit ihm des Versprechens der weiten Welt als Metapher bedienen zu können. Solche wenig überzeugenden Drehbuchbedürfnisse trüben etwas den gefälligen Gesamteindruck eines ansonsten treffend beobachteten und gerade von der Hauptdarstellerin gut gespielten Coming-of-Age-Films.
 
Michael Meyns