Die schönen Tage

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Weder sentimental noch kitschig, sondern wunderbar leicht inszeniert Marion Vernoux ihre scheinbar klassische Dreiecksgeschichte um einen Mann, eine Frau und ihren jugendlichen Liebhaber. Die romantisch prickelnde Tragikomödie „Die schönen Tage“ ist vor allem eine Hommage an die immer noch unwiderstehliche, selbstbewusste französische Diva Fanny Ardant, die sich selbst im Alter mit Leidenschaft und Charme dem Leben und seinen amourösen Abenteuern stellt.

Webseite: www.die-schoenen-tage.de

OT: Les Beaux Jours
Frankreich 2012
Regie: Marion Vernoux
Darsteller: Fanny Ardant, Laurent Lafitte, Patrick Chesnais, Féodor Atkine, Marie Rivière, Jean-François Stévenin
Drehbuch: Fanny Chesnel, Marion Vernoux
Länge: 94 Minuten
Verleih: Wild Bunch Germany, Vertrieb: Central
Kinostart: 19.9.2013

PRESSESTIMMEN:

"Ein ebenso beschwingter wie zarter Film aus Frankreich, und der Titel ist vom selben feinen Humor wie alles andere... DAs Allerschönste an diesen schönen Tagen ist aber die unwiderstehliche Fanny Ardant..."
Brigitte

FILMKRITIK:

Hals über Kopf wirft Caroline (Fanny Ardant) ihren Job hin. Grund: Eine arrogante Patientin verärgert die 60-jährige, überaus attraktive Zahnärztin. Plötzlich soll die Mutter zweier erwachsener Töchter ihre neue Freiheit im Ruhestand genießen. Von allen Seiten bekommt sie Ratschläge, um ihren Alltag aktiv zu gestalten. Dass vor fünf Monaten ihre beste Freundin starb, macht ihre Situation freilich nicht einfacher. Als ihre Töchter ihr einen Probegutschein für einen Senioren-Club schenken, um sie abzulenken, ist sie wenig begeistert. Nur widerwillig versucht sie es mit Töpfer-, Yoga- und Schauspielkursen.

Doch nachdem zuhause der Internetanschluss aussteigt, schreibt sie sich beherzt in einen Computerkurs ein. Und plötzlich begegnet ihr dort ein junger Typ und macht ihr, sie kann es kaum glauben, unmissverständlich Avancen. Dem charmanten Computerlehrer und notorischen Frauenheld Julien (Laurent Lafitte) gelingt es, sie aus ihrer Lethargie zu reißen. Doch soll sie etwa in ihrem Alter trotz Ehe und erwachsener Kinder noch eine Affaire anfangen? Schließlich könnte der 40jährige Don Juan von der bretonischen Küste ihr Sohn sein. Ein prickelndes Abenteuer mit lustvollen, heimlichen Treffen beginnt.

Sie gilt als eine der großen französischen Diven: Fanny Ardant, die geheimnisvolle, strahlend schöne Femme fatale mit breiter Mundpartie und herausfordernden Augen, selbstbewusstem Auftreten und einer anziehenden Distanz, die sie nur selten aufgibt. Meisterregisseur François Truffaut entdeckte die Tochter eines Kavallerieoffiziers für die Leinwand. Die brünette Aktrice war bis zu seinem plötzlichen Tod seine Muse, Lebensgefährtin und der Star seiner letzten Filme. Herkömmliche Moralvorstellungen sind der ehemaligen Klosterschülerin fremd. Sie hat drei Töchter von drei verschiedenen Männern, war aber nie verheiratet.

„Während die meisten Leute Untreue für eine Sünde halten, die reihenweise Ehen zerstört“, sagt die immer noch aparte Einzelgängerin, „fand ich schon immer, dass ein Seitensprung eine Art Vitaminspritze für eine Beziehung sein kann“. Nicht zuletzt mit dieser Einstellung ist der inzwischen 64jährigen, die nichts von ihrer einnehmenden Ausstrahlung verloren hat, die Rolle auf den Leib geschrieben. Ihr zuzuschauen, wie sie sich mit Stolz und Grazie in ein amouröses Abenteuer mit einem jüngeren Mann stürzt, ist ein Genuss. In keiner Sekunde wirkt sie dabei lächerlich.

An ihrer Seite laufen auch die beiden Hauptdarsteller zu Hochform auf: Patrick Chesnais als geduldiger, lakonischer Ehemann Philippe, der nachts in der Küche Eis löffelnd auf die Rückkehr seiner lebenslustigen Gattin wartet und Laurent Lafitte („Kleine wahre Lügen“, „Ein Mordsteam“) als unwiderstehlicher Womanizer Julien, der lieber Unverbindlichkeit zelebriert als sich auf etwas fest zu legen. Die Chemie zwischen ihr und dem talentierten Schauspieler, der heute neben Gad Elmaleh zu den erfolgreichen Komikern und Filmstars Frankreichs zählt, funktioniert perfekt.

Sanft, mit leisem Humor blickt Regisseurin Marion Vernoux auf diese schöne, starke Frau, die im Alter ausbricht, aber die Zeit nicht zurückdrehen kann. Fasziniert von der Anmut ihrer Hauptdarstellerin, die ihre Kamera zärtlich umschmeichelt, erzählt die 47jährige die Geschichte über neue Freiheiten, Loslassen, Vergänglichkeit, Freundschaft und verborgene Sehnsucht. Spielerisch vereinigt sie dabei alle handwerklichen Tricks der „Nouvelle Vague“ angefangen von Überblendungen, Zoom bis hin zu Reißschwenks und nervöser Handkamera. Dabei gibt es keine Rückblenden, die verflossenes Glück sichtbar machen.

Luitgard Koch

Caroline ist Zahnärztin und 60 Jahre alt. Nach einem Streit wirft sie hin – und verfügt nun über viel Zeit. Sie muss über sich und den Rest ihres Lebens nachdenken. Ihr Mann Philippe ist auch da, doch beider Leben laufen so nebeneinander her. Tiefe Innigkeit ist nirgends zu sehen. Die Töchter sind längst erwachsen.

Diese schenken ihrer Mutter zur Probe eine Mitgliedschaft in einem Club für Senioren. Da wird gebastelt; wird getöpfert; wird dem Computer und dem Internet Zeit gewidmet; werden Blumen gesteckt; wird viel geratscht; werden Ausflüge ans nahe Meer unternommen. Der Club-Name: „Die schönen Tage“.

Der Computer-Lehrer heißt Julien. Er wird auf die noch immer schöne Caroline aufmerksam, und schon ist es geschehen. Jetzt kommen die richtig „schönen Tage“. Caroline schmilzt praktisch jeden Tag dahin. Vor Philippe muss sie immer mehr Ausreden suchen.

Julien mag Carolin gerne, ist aber nicht wählerisch. Wenn es gerade passt, kommt auch noch die eine oder andere an die Reihe. Caroline weiß von vornherein, dass diese „Liebe“ nicht dauern kann.

Kompliziert wird es jedoch vor allem, weil Philippe inzwischen längst Bescheid weiß. Die Trennung ist nahe.

Ungeachtet dessen versucht Caroline noch einmal, mit Julien nach Island zu fliegen. Sie ist allzu abhängig geworden. Doch unterwegs kommt sie – auch aufgrund von Juliens schäbigem Verhalten – zur Besinnung. Sie kehrt zu Phlippe zurück.

Ein Frauenfilm. Die späte Leidenschaft einer Frau, deren Beruf und Ehe zur Gewohnheit geworden sind. Nicht nur eine späte Liebe, sondern auch eine vergängliche. Der Altersunterschied ist zu groß, Caroline sucht Anhänglichkeit, Julien ein sexuelles Abenteuer. Das Scheitern ist programmiert. Aber immerhin: ein paar „schöne Tage“.

Die Trennung Juliens von Caroline ist psychologisch eindeutig zu oberflächlich und zu kurz geraten. Doch ansonsten ist durchaus Lebensnähe gegeben. Und auch handwerklich-filmisch weiß Regisseurin Marion Vernoux Bescheid. Durch alltäglich-amüsante, gut montierte Zwischenszenen ist alles aufgelockert.

Ein Glücksfall, dass Fanny Ardant die Caroline spielt. Sie war immer schon eine hervorragende, gut aussehende Actrice – und ist es bis heute geblieben. Ebenfalls gut: Patrick Chesnais (Philippe) und Laurent Lafitte (Julien) als ihre beiden Männer.

Thomas Engel