Ausgerechnet dem Schweizer Oliver Rihs gelang mit „Schwarze Schafe“ einer der Berliner Kultfilme der Nuller Jahre. Unter gleichem Titel versucht sich Rihs nun an einer Art Fortsetzung, einer Neuauflage, einem Weiterspinnen, mit teilweise dem selbem Figurenpersonal, vor allem aber demselben Ansatz: Mit oft laienhaft anmutendem Stil, aber viel Witz und Anarchie bringt er quasi das alte Berliner Motto auf die Leinwand: Arm aber sexy!
Über den Film
Originaltitel
#SchwarzeSchafe
Deutscher Titel
#SchwarzeSchafe
Produktionsland
DEU
Filmdauer
93 min
Produktionsjahr
2024
Regisseur
Rihs, Oliver
Verleih
Port au Prince Pictures GmbH
Starttermin
17.07.2025
Der Neuköllner Clanboss Omar (Yasin El Harrouk) hat ein Problem: Die Drogen kommen nicht. Sein Zwischenhändler Kafka (Marc Hosemann) verliert beim Foltern zwar einen Zeh, das hilft aber auch nur bedingt, denn die Drogen werden ausgerechnet in einem Bienenverschlag aufbewahrt, der sich auf dem Balkon von Fritz (Frederick Lau) befindet. Der ist selbst ein Junkie und hat den Bienen dummerweise Speed verabreicht.
Fritz’ Schwester Delphine (Jella Haase) näht derweil genderfluide Stoffpuppen, die sie in einem Spielzeugladen verkaufen will. Dort läuft ihr Charlotte (Jule Böwe) über den Weg, die kein Geld hat, denn ihr Mann Peter (Milan Peschel) hat mal wieder eine brillante Idee vermasselt: In der Spree fischt er Krabben, die er den noch nichts von ihrem Glück ahnenden Berlinern auf Krabbenbrötchen servieren möchte.
Derweil wird Omar durch sanften Druck seiner kleinen Tochter ökologisch, überzeugt seine Clanverwandtschaft davon, das Benzin fressende Auto auszumustern und sich stattdessen mit der Rikscha durch die Stadt kutschieren zu lassen. Das Ziel lautet, der erste Klimaneutrale Clan Deutschlands zu werden.
Vor fast 20 Jahre drehte der Wahlberliner Oliver Rihs ohne Fördermittel oder Fernsehgelder eine kleine, dreckige Komödie, die zur Überraschung vermutlich aller Beteiligten zum Kultfilm avancierte und in der Hauptstadt zum Dauerbrenner in Off-Kinos und der sommerlichen Open-Air-Kino-Saison gehört.
Nun versucht sich Rihs an einer Fortsetzung, die erneut ohne öffentliche Gelder entstand, dafür satte sechs Drehbuchautoren nennt, was eine Erklärung für die wechselhafte Qualität des Episodenfilms sein dürfte. Während etwa der von Frederick Lau gespielte Drogen dealende Fritz kaum mehr als Berlinklischee wiederholt, gelingt es in den Passagen, in denen der Clan-Boss Omar im Mittelpunkt steht, Klischees zu unterlaufen.
Oft standen in den letzten Jahren Clans im Mittelpunkt, im Kino oder in Serien, aber auch in den Boulevardmeiden, wo die von libanesischen oder anderen migrantischen Gruppen angeführten Familien gern als Inbegriff gescheiterter Integration dargestellt werden. Genau hier setzt „Schwarze Schafe“ an, hält sich nicht lange mit Recht oder Unrecht des Drogenhandels auf, sondern lässt den Clan-Chef Omar auf überdrehte, pointierte Weise sein grünes Herz entdecken. Besonders treffend wirkt es da etwa, wenn Omar und seine Jungs in einem Unverpackt-Laden auftauchen, wo sich eine weiße Verkäuferin, die sich auf Grund ihrer angeblichen Herkunft aber als BIPOC ehrenhalber fühlt, sofort von den arabischen Männern getriggert fühlt und nach der Polizei schreit.
Auch andere Exzesse unserer Zeit werden gekonnt ad absurdum geführt, jedoch nie bösartig, sondern liebevoll. Nicht alle Pointen sitzen zwar, was angesichts der Gagdichte aber ebenso zu verschmerzen ist, wie der mehr als rohe Stil. Ob bewusst oder unbewusst: Die billige Digitalästhetik, der holprige Schnitt, vieles erinnert hier an filmische Versuche aus den Nuller Jahren, als ambitionierte Filmemacher mit digitaler Technik experimentierten, oft noch etwas unbeholfen, aber mit viel Enthusiasmus.
Als Filmemacher, der die 50 inzwischen überschritten hat, diese anarchische Qualität nachzuahmen, hat zwar etwas tief Nostalgisches, aber warum nicht? Erst recht nicht, wenn das Ergebnis mit so wohlwollendem Blick auf Berlin, seine Fehler und Missstände, seine Typen und Außenseiter blickt, wie es Oliver Rihs erneut gelingt.
Michael Meyns