Schwesterherz

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Wer will und soll ich sein? Heike Makatsch führt mit Verve die Leiden und Eskapaden der Frau Mitte Dreißig vor  -  als gestresstes Produkt einer hypernervösen Zeit. Sie befindet sich auf Konfrontationskurs mit ihrer 15 Jahre jüngeren Schwester, seelenvoll gespielt von Anna Maria Mühe. Eine mutige, nachdenkliche und bisweilen groteske  Versuchsanordnung, die detailliert einen zeitgemäßen, haltlosen Menschentypus vorführt.

Webseite: www.schwesterherz-derfilm.de

Deutschland 2007
Regie: Ed Herzog
Darsteller: Heike Makatsch, Anna Maria Mühe, Ludwig Trepte, Sebastian Urzendowsky, Marc Hosemann
Drehbuch: Heike Makatsch, Johanna Adoján
Verleih: NFP
Start: 6.9.2007

PRESSESTIMMEN:

...als Hauptdarstellerin macht sich Heike Makatsch gut wie immer, und Anna Maria Mühe ist ebenfalls klasse.
Brigitte

...Pressestimmen auf film-zeit.de hier...

FILMKRITIK:

Benidorm - Betonwüste an der Costa Blanca, Ort mit der weltweit höchsten Hochhausdichte und El Dorado der Rentner: Ausgerechnet hierhin hat die 33jährige  Anne (Heike Makatsch) ihre 18jährige Schwester Marie (Anna Maria Mühe) für einen gemeinsamen Urlaub eingeladen. Es  regnet und der Blick aus dem Apartment im 7. Stock fällt auf einen riesigen, leeren, grauen Strand. Auch sonst stehen die Zeichen auf Sturm.
 

Anne ist ihr eigenes Kraftwerk, sehr trendig und Opfer der Moden, hyperaktiv in einer passiven Umgebung, die insbesondere daheim ihr perspektivloser Freund Philip (Marc Hosemann)  verkörpert, der zu faul ist, seine Gitarre aus dem Kofferraum zu holen. Als Musikproduzentin lebt Anne das Leben, das sie immer wollte, aber inzwischen stehen ihr  Wichtigtuerei und Qualitätslosigkeit in diesem Geschäft bis zum Hals. Ihr Gehalt bezeichnet sie als Schmerzensgeld, in ständiger Eile bedient sie das Klischee einer Karrierefrau.

Ihre Schwester Marie (Anna Maria Mühe) ist das Gegenteil: sanft, unbefangen. Offensichtlich weiß sie gut, dass bereits die Älteren das Aufgeregtsein übernehmen. Sie will Brunnenbauerin in Afrika werden und später dort leben. Es stört sie keineswegs, dass ihre Studentenwohnung Teppich und Rauhfasertapeten hat, für Anne wäre das undenkbar. Maries gutmütiger Blick auf die große Schwester hat etwas niedlich Kindliches aber auch abgeklärt Großmüttlerliches. Natürlich und unfairerweise liegen alle Zuschauer-Sympathien auf ihrer Seite.

Die ideale Gesprächspartnerin ist Anne ja nicht. Sie suggeriert, entweder alles zu wissen oder mit Wichtigerem beschäftigt zu sein. In ihrem  Streben, ewig  hip, agil und großartig zu sein, ähnelt sie streckenweise der verzweifelten Diva in Billy Wilders „Boulevard der Dämmerung“. Neben Alkohol und Koks ist ihre Hauptdroge das Handy. Alles muss sofort und gleichzeitig passieren.

Ist sie einfach nur Opfer unserer Gegenwart, in der es zum guten Ton gehört, sich als chaotisch und exotisch zu bezeichnen und einen  Lebenslauf „mit Brüchen“ vorzuweisen?  Anscheinend wurde Anne in einer Zeit groß, als Eltern nur Kinder mit Erfolg respektierten. Marie kam ohne Rebellion und Anspruchslasten aus. Gegenüber Anne hat sie den Vorteil, Vertrauen in ihr Denken und Handeln zu haben. Annes Zweifel sind ihr fremd. Für die eine ist das Leben ein Gewitter, für die andere ein langer ruhiger Fluss. Es ist ein Spiel zwischen Schein und Sein. Anne glüht im Selbstdarstellungsfieber, Marie schaut zu.

Umgeben von lauter Jüngeren wird Anne  in diesem überspitzten Kammerspiel ständig vorgeführt. Ihre  Fassaden bröckeln. Sie hört wie Abiturienten über sie lästern: „Sie ist langweilig, da gibt es überhaupt keine Geheimnisse mehr“. Im Tagebuch ihrer kleinen Schwester liest sie: „Wenn ich Anne sehe, habe ich Angst vor dem Älterwerden. Sie ist bitter und hart und weiß nicht, wo sie hingehört.“ Anne, die  eine Schwangerschaft verbirgt, streitet am Telefon mit ihrem Freund. Sie verleitet die Teenager zu einem Einbruch auf einer Yacht und zu anschließender Flucht vor der Polizei. Anne verbringt eine verkorkste Nacht mit dem Studenten Max, Marie baut eine Beziehung zu Max auf. Schließlich platzt Anne angesichts Maries lieblicher Passivität der Kragen:  „Und du denkst, dass wir Spießkühe euch Weltverbesserern den Urlaub finanzieren!“ Ein Unfall ist die Folge - nicht tödlich, aber ein starker Wink, das Leben zu ändern.

Letztendlich ist „Schwesterherz“  ein Einpersonenstück - die kleine Schwester dient nur ein Zerrspiegelbild. Offenbar ist dies der schnellere Weg zur Selbsterkenntnis als durch Partner und Psychologen. Die Umgebung spielt das ganze kalte Spektrum  modernen Designs  durch. Wer hat Anne nur eingeredet, dass eine kahle Betonwand toll zum Wohnen ist?  Die grobkörnigen, graustichigen Bilder atmen das Ambiente einer Versuchsanordnung, die auch gut für einen Fernsehfilm taugt. „Schwesterherz“ entstand in Koproduktion mit ZDF und ARTE. Regisseur Ed Herzog, Kameramann Sebastian Edschmid und Heike Makatsch arbeiteten schon für „Almost Heaven“ zusammen.  Das Drehbuch schrieben Heike Makatsch und die FAZ-Redakteurin Johanna Adorján. Beide galten vor 13 Jahren - wider Willen - als Aushängeschilder der „Girlie“-Welle. Überzeugend veranschaulichen sie die schwierige Identitätssuche einer Frau in einer Welt, die im  Jugend- und Medienwahn rauscht. Ihr Film  legt die Finger auf die Wunden und Leerstellen.   

Dorothee Tackmann

Die erfolgreiche Musikproducerin Anne schenkt ihrer jüngeren Schwester Marie zum Schulabschluss einen Badeurlaub in Spanien. Die Ferien verlaufen aber anders als von Anne geplant. Die Zeit zum Nachdenken führt für den Workaholic zu bitteren Erkenntnissen. Dass ihre jüngere Schwester obendrein rasch den Respekt vor der stets um Kontrolle bemühten Karrierefrau verliert und sich lieber den schönen Dingen des Urlaub-Daseins widmet, sorgt schon bald für schwere Verstimmungen. In ihrer zweiten gemeinsamen Arbeit nach „Almost Heaven“, gelingen Regisseur Ed Herzog und Hauptdarstellerin Heike Makatsch ein tragikomischer Blick auf das Dilemma einer ganzen Frauen-Generation.

Anne (Heike Makatsch) ist es gewohnt, die Dinge in den Griff zu bekommen. Zupackend und diszipliniert hat sie sich so in ihrer Plattenfirma in Düsseldorf eine verantwortungsvolle Position erkämpft. Ihr Freund Phillip (Marc Hosemann) ist da aus ganz anderem Holz. Der 35jährige Mann möchte sich nicht festlegen und lieber die Jugend durch Partys und Spiele auf ewig verlängern. Bei Anne wächst die Verbitterung über ihren unzuverlässigen Freund, der keine gemeinsame Zukunftsplanung zulässt. Philip wiederum ist latent genervt von seiner Partnerin, die nur noch funktioniert und sich nicht mehr treiben lassen kann. Dass Anne schwanger ist und desillusioniert bereits den Abtreibungstermin festgelegt hat, hat sie Phillip verschwiegen. In dieser Krisenstimmung kommt die gemeinsame Reise von Anne und ihrer jüngern Schwester Marie (Anna Maria Mühe) reichlich unpassend. Doch da Anne wie immer funktioniert und ihre Probleme für sich behält, spielt sie für ihre jüngere Schwester lieber die attraktive Powerfrau. Dabei merkt sie gar nicht, dass ihr Bestreben, alles und jeden unter Kontrolle zu haben, im Urlaub immer absurdere Formen annimmt. Während sich Marie entspannt den Urlaubsfreuden hingibt und sich über das Zusammensein mit ihrer Schwester freut, gelingt es der immer weniger die Fassade aufrecht zu erhalten. Die jugendliche Lebensfreude ihrer Schwester kontert sie bald nur noch mit ätzendem Zynismus. Die Situation spitzt sich zu, als die beiden Schwestern am Strand in Spanien zwei junge Männer aus Deutschland kennen lernen. Max (Sebastian Urzendowsky), mit dem Anne einen Alkoholgeschwängerten und wenig prickelnden One-Night-Stand erlebt, interessiert sich am nächsten Morgen nur noch für Marie. Dass sich zwischen den beiden Gleichaltrigen eine echte Affäre anbahnt, lässt Anne endgültig in die Krise schliddern. Es kommt zwischen den beiden Schwestern zum offenen Streit, dessen Folgen fatal ausfallen.
 

Mit sicherem Gespür für sein Sujet thematisiert der Film das Dilemma einer Frauen-Generation, die im Beruf ihren männlichen Kollegen durch höhere Leistungen Paroli bieten muss, gleichzeitig einem vom Jugend- und Schönheitswahn bestimmten Körperbild genügen soll und bei all den Anforderungen Gefahr läuft, sich als Frau und Mensch zu verlieren. Dazu sorgt die tickende biologische Uhr für weiteren Zündstoff. Kein Wunder, dass da die Frauen wie Spielverderber wirken im Vergleich zur Männerwelt, deren Wunsch nach einer verlängerten Jugend immer noch ein Hauch sympathischer Kindsköpfigkeit umweht. 

Man spürt in jeder Szene, dass die beiden Drehbuchautorinnen Heike Makatsch und die FAZ-Redakteurin Johanna Adorjan um die Probleme ihrer Generation wissen. Heike Makatsch jedenfalls hat sich die Rolle perfekt auf den Leib geschrieben und die Figur, trotz einiger Stereotypen, lebendig gestaltet. Dass sie dabei den Charakter schonungslos offenlegt, Mut zu unsympathischen Zügen zeigt und ihm dennoch in seiner ganzen Verletzlichkeit und Problematik nie seiner Würde beraubt, macht den Film zu einem sehenswerten Frauenporträt. Besonders gelungen sind dabei die Dialoge, die immer wieder pointiert und nuanciert die unterschiedlichen Standpunkte zum Ausdruck bringen, auch wenn der Schwerpunkt eindeutig auch der Figur von Anne liegt. Bei der schauspielerischen Leistung von Heike Makatsch hätte es der etwas künstlichen Forcierung der Ereignisse gegen Ende hin ebenso wenig bedurft wie einiger Szenen, in denen die Problematik wiederholt ausführlich ausgebreitet wird und die hin und wieder für Redundanz und Längen sorgen. Unterm Strich  bleibt „Schwesterherz“ aber die beste Arbeit von Ed Herzog, getragen von einer beherzt aufspielen Schauspielerin!

Norbert Raffelsiefen

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Anne ist Mitte dreißig und Musikproduzentin. Geschäftlich läuft alles gut, seelisch ist sie aus dem Gleichgewicht geraten. Mit ihrem Freund Philipp, mit dem sie seit vier Jahren zusammenlebt, streitet sie sich nur noch.

So recht passt es ihr nicht, aber sie hat mit ihrer Schwester Marie einen Urlaub in Benidorm gebucht, und den zu verpassen oder auch nur zu verpatzen, kann sie sich nicht leisten.

Also auf nach Benidorm. Das Zusammensein mit der jüngeren und noch von Idealen getragenen Schwester, ebenso die Liebeleien mit den Jünglingen Max und Matze, die ebenfalls am Strand Urlaub machen, bringt etwas zutage: Anne ist in einem Alter zwischen junger attraktiver Frau und Mittelalter. Sie hält sich nicht mehr für begehrenswert wie früher. Die immer bindungsscheuer werdenden Männer fliegen ihr nicht mehr zu. Sie übt ihren Beruf zwar aus, liebt ihn jedoch ebenso wenig wie die Menschen, die „Künstler“, mit denen sie umgeben ist.

Sie beginnt zu spüren, dass die Richtung ihres Lebens sich ändern muss. Sie weiß letztlich, dass sie „verkrampft, hysterisch, nörglerisch, unsicher“ ist. Manchmal empfindet sie sich sogar als hässlich. Marie, die ihre große Schwester immer hoch hielt, begreift das alles allmählich.

Heike Makatsch, die am Drehbuch mitschrieb, ging es darum, das Bild der Frau in dieser Übergangsphase zu zeichnen, viele Frauen, die sich vielleicht in einer vergleichbaren Situation befinden, zu erreichen und gewisse Erkenntnisse daraus ziehen zu lassen. Damit es weitergeht – und besser weitergeht.

Rein formal und gesamtkünstlerisch gesehen ist der Film alles andere als aufregend. Eher schauspielerisch. Heike Makatsch gelingt es einigermaßen überzeugend, die psychologischen Etappen, den schmerzlichen Zustand, das Alleinsein, die Verlorenheit und die Verzweiflung zu verkörpern. Anna Maria Mühe arbeitet ihr als kleine Schwester gut zu. Auch die – weniger wichtigen – Männerrollen sind gut besetzt.

Heike Makatsch dominiert in diesem Problem- und Psycho-Stück über die Frau in einer Übergangsphase, die für ihr Leben einen neuen Weg finden muss. 

Thomas Engel