Simons Geheimnis

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Der kanadische Filmemacher Atom Egoyan ist dafür bekannt, dass er in seinen Werken gerne einmal die Grenze zwischen Realität und Fiktion verwischt und den Zuschauer mit einer verschachtelten, fragmentarischen Erzählstruktur herausfordert. So gesehen fügt sich „Simons Geheimnis“ nahtlos in sein bisheriges Oeuvre ein. Darin muss sich ein Teenager mit Vorurteilen und diffusen kulturellen Ressentiments auseinandersetzen, nachdem er in Internet-Chatforen den eigenen, inzwischen verstorbenen Vater als Terroristen enttarnte.

Webseite: www.simonsgeheimnis.x-verleih.de

OT: Adoration
KAN 2008
Regie & Drehbuch: Atom Egoyan
Produktion: Atom Egoyan, Simone Urdl, Jennifer Weiss
Kamera. Paul Sarossy
Musik: Mychael Danna
Mit Devon Bostick, Arsinée Khanjian, Scott Speedman, Rachel Blanchard, Noam Jenkins, Kenneth Welsh
Bildformat: 35mm, 1.85:1
Laufzeit 100 Minuten
Kinostart: 28.5.2009
Verleih: X-Verleih

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Der junge Simon (Devon Bostick) erscheint zunächst wie ein ganz normaler Teenager. Vielleicht etwas verschlossener und zurückhaltender als andere, etwas verträumter und ruhiger. Und doch deutet nichts auf das hin, was er kurze Zeit später seinen Mitschülern über sich und seine Vergangenheit zu erzählen hat. Sein Vater (Noam Jenkins) sei ein Terrorist gewesen, der plante, mittels einer selbst gebastelten Bombe ein Passagierflugzeug in die Luft zu sprengen. Dabei habe er den Sprengsatz im Handgepäck seiner Frau (Rachel Blanchard) versteckt, die von all dem nichts wusste und die damals gerade mit Simon schwanger war. Während die Klasse geschockt auf diese unfassbare Geschichte reagiert, weiß Simons Lehrerin (Arsinée Khanjian), dass die Wahrheit eine andere ist. Anstatt ihren Schützling jedoch zurechtzuweisen, ermuntert ihn sie dazu, offensiv diese Rolle weiterzuspielen. Dazu gehört, dass er auch in Internet-Chatrooms anderen, ihm vollkommenen fremden Personen von den angeblichen Terror-Plänen seines Vaters erzählt.

Willkommen in der Welt des Atom Egoyan. Der kanadische Filmemacher liebt es, den schmalen Grat zwischen Realität und Fiktion, zwischen Wahrheit und Lüge zu betreten und zu erforschen. Vieler seiner bisherigen Werke („Das süsse Jenseits“, „Wahre Lügen“) kreisten um diesen Themenkomplex, wobei „Simons Geheimnis“ ausgehend von der Terrorismus-Beichte seiner Hauptfigur noch eine Vielzahl anderer, teils hochaktueller Fragestellungen berührt. Unseren Umgang mit dem Internet versucht Egoyan ebenso wie den oftmals von Misstrauen und Intoleranz geprägten Diskurs zwischen den Religionen in Simons Geschichte einzubringen. Auch geht er der Frage nach, wieso die Kulturen immer weiter auseinander driften, wenn sie in einer derart vernetzten Welt doch eigentlich näher zusammen rücken müssten.

Damit – man ahnt es vielleicht schon – bürdet er seinem kleinen Film allerdings nicht selten schlichtweg zu große Lasten und Gewichte auf. So läuft Simons Schicksal Gefahr, angesichts der von Egoyan verhandelten weltumspannenden, interkulturellen Probleme bagatellisiert zu werden. Dabei ist dessen Geschichte alles andere als eine Bagatelle. Wie es in ihm aussieht, was ihn dazu veranlasste, eine andere Identität anzunehmen und was sein Vater in Wahrheit für ein Mensch war, das sind die wirklich spannenden Fragen, die einen als Zuschauer in Egoyans Film ziehen und die bisweilen von einer zu verkopften Debatte um Vorurteile und Toleranz überlagert werden. Gerade in den Sequenzen mit Simons Chat-Partnern, deren unterschiedlichen Meinungen und Ideologien – von radikal bis gemäßigt – augenscheinlich reine Platzhalterfunktionen übernehmen, offenbart sich die holprige, ungelenke Didaktik des Films.

Egoyan will einfach zuviel, was auch in der für ihn charakteristischen, fragmentarischen Erzählstruktur zum Ausdruck kommt. Obwohl die Orientierung nie wirklich schwer fällt, kann man sich nicht ganz des Eindrucks erwehren, dass über das Vor- und Zurückspringen in der Zeit künstlich einige zusätzliche Spannungsmomente etabliert werden sollen. Anders als Egoyans letzte Regiearbeit, „Wahre Lügen“, erscheint Simons Geschichte jedoch denkbar ungeeignet, um sich ihr über das Mittel der Suspense zu nähern. Zumindest den Darstellern mag man keinen Vorwurf machen. Dass das ambitionierte, multikulturelle Puzzle am Ende nur bedingt funktioniert, liegt weder an dem jungen Devon Bostick noch an Scott Speedman, der in der Rolle von Simons Onkel nachdrücklich seine Qualitäten im Charakterfach unter Beweis stellt.

Marcus Wessel

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