Snowman’s Land

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Zwei Killer, die einen Fehler begangen haben, werden mit einem obskuren Auftrag in die tief verschneiten Karpaten geschickt. In einem abgelegenen Hotel breitet sich beim Warten der Wahnsinn aus, zudem muss ein tödlicher Unfall vor dem gefährlichen Auftraggeber verheimlicht werden. Der gelungene deutsche Genre-Film bedient den Thriller mit bekannten Elementen und vielen guten eigenen Ideen.

Webseite: snowmansland-film.de

BRD 2010
Regie und Buch: Tomasz Thomson
Darsteller: Jürgen Rißmann, Thomas Wodianka, Reiner Schöne, Waléra Kanischtscheff, Eva-Katrin Herrmann.
Länge: 98 Min.
FSK: 16
Verleih: Zorro Film
Kinostart: 30.9.2010
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Die Szene könnte aus Wong Kar-Wais frühen Filmen „Fallen Angels“ (1995) oder „Chungking Express“ (1994) stammen, wenn man ihm mal einen Deutschland-Aufenthalt spendiert hätte. Kühl und cool schreitet Walter (Jürgen Rißmann) durch Gassen und Menschen, ein Gang wie bei „Bullitt“, blaues Licht stylt die Herrentoilette - doch das hilft alles nix. Am Ende hat der Auftragskiller einen zu viel umgebracht und sollte unbedingt mal „Urlaub machen“, wie sein Boss nachdrücklich betont. Da dieser gefährlich entspannt vor der Sonnenlicht-Birne sinniert, nimmt Walter den Hinweis ernst und sowieso lachen alle gerade über den älteren Allemacher. Zum Glück gibt es für Walter einen Job JWD - janz weit draußen. Weil der eigentlich beauftragte Killer-Kollege Familie hat und nicht weg kann, reist Walter in die heftig eingeschneite Berglandschaft der Karpaten, zu einem einsamen Hotel, in dem auch Jack Nicholson seinen Jagd-Schein gemacht haben könnte. Walter soll bei diesem rätselhaften Einsatz das Gebäude für den Unterwelt-Boss Berger (Reiner Schöne) vor Einheimischen und Konkurrenten schützen. Nebenbei vielleicht auch noch Bergers Geliebte Sibylle (Eva Katrin Hermann) überwachen. Die ist sehr blond und scharf, hat eine eindrucksvolle Drogenküche im Keller und sagt Sätze wie: „Ich bin hier die Disco!“ Als Kollege wurde Walters alter Bekannter Micky herbei geordert. Der durchgeknallte Abknaller hat seit seinem letzten Bombeneinsatz eine Metallplatte im Kopf und ist selber hochexplosiv. Doch erst einmal warten die zwei Profis, die Fehler gemacht haben, auf Berger und jeder amüsiert sich auf seine Weise...

Gute Typen, trockene Dialoge, klasse Songs - das kann nicht nur Tarantino, so Gutes gibt es auch aus deutschen Landen. Allerdings passiert Walter & Co., was John Travolta in „Pulp Fiction“ gerade verhindern konnte: Die Frau des sehr gefährlichen Bosses ist tot. Sexspielchen mit Pistole sind im Drogenrausch vielleicht nicht gesund. Was tun mit ’ner Leiche in der Einöde und wenig anderen Tagverdächtigen oder Ausflüchten? Erst mal Sibylle mit ihrem heißen Ami-Schlitten verschwinden lassen und dann so tun, als wisse man nichts. Doch noch mehr als Beobachtungskameras kommt das Röntgenauge von Berger dem Mörder Micky auf die Schliche. Die folgende Folter ist nur das blutige Sahnehäubchen auf der bitteren Rache. Mysteriöse Angriffe von Außen und Kazik (Waléra Kanischtscheff), die asiatische Rechte Hand Bergers, sorgen für Action, so dass der Wahnsinn bald eine blutige Spur in den Schnee zeichnet.

Jürgen Rißmann gibt sehr satt den müden Walter, der zwischen tragischem Abgang und fast meditativer Transzendierung - im Kugelhagel -in eine andere Welt steht. Seine trockenen Erläuterungen im Off, zu denen das Bild auch mal eingefroren wird, sorgen für den lakonischen Grundton. Thomas Wodianka spielt einen neurotischen Killer: kindisch, dämlich, gefährlich. Rainer Schöne legt seinen übersinnlich begabten und überspannten Karpaten-Paten derart klasse hin, dass man sich mehr große Rollen für diesen großen Schauspieler wünscht. Der Reiz in dieser gelungenen Genre-Variante liegt in der guten Ausführung, die wahrscheinlich nach viel mehr Geld aussieht, als tatsächlich da war. Aber vor allem auch in den schrägen und originellen Ideen: Mit dem Klapprad im Schnee oder mit der PS-Schleuder Schlitten fahren - Regisseur und Autor Tomasz Thomson findet immer wieder gute Ideen und Bilder (Kamera: Ralf M. Mendle), um den Genre-Film aus der Action-Familie ein eigenes Gesicht zu geben. Vor allem die auch mysteriös gespenstige Atmosphäre um das verlassene Gebäude, das mal ein St. Moritz des Ostens werden soll, bleibt nach „Snowmans Land“ in Erinnerung. So verheimlicht der Film nicht seine Einflüsse, ist aber jederzeit mehr als etwa „Fargo“ in deutscher Übersetzung.

Günter H. Jekubzik

Walter, ein eher finsterer Kerl, ist Auftragskiller. Er verbockt ein wichtiges Engagement, verwechselt das Opfer. Pech.

Jetzt scheint er arbeitslos zu sein. Doch es dauert nicht lange, da wird er an der Stelle eines „Kollegen“ doch wieder gebraucht. Weit hinten im Osten, in tief verschneite Berge, hat sich der Gangsterboss Berger zurückgezogen. Walter wird mit seinem Kumpel Micky dazu bestimmt, eine Zeitlang auf Bergers Ehefrau Sibylle aufzupassen.

Aber die kommt durch ein Missgeschick ums Leben. Jetzt ist guter Rat teuer. Micky soll den Leichnam verstecken, tut dies aber nur auf eine verhängnisvoll flüchtige Weise.

Berger kommt mit seinem Leibwächter Kazik, einem Russen, zurück.

Nun beginnt, vor allem als die Leiche entdeckt ist, ein grausamer Reigen. Einmal ist Berger oben, einmal sind Walter und Micky oben, einmal ist der abtrünnige Kazik oben. Immer sind Waffen, Blut und Folter im Spiel.

Am Ende scheint Walter doch noch den Absprung zu schaffen. Ein heißes, mir Palmen besetztes Land war immer sein Ziel.

Auffällig ist dieser film noir – wirklich sehr schwarz – durch die gut ausgesuchten Örtlichkeiten, durch seinen konsequent dunklen Stil, durch eine gewisse Originalität, durch sein hinausgezögertes aber doch spannendes Tempo, durch seine ungenierte Grausamkeit, durch seine exzellenten Schauspieler.

Detlef Bothe beispielsweise hat als Harry eine sehr kleine Rolle, mimt die aber verblüffend gut. Desgleichen Rainer Schöne als Berger. Auch Jürgen Rissmann als Walter, Thomas Wodianka als Micky und Walera Kanischtscheff als Kazik können sich sehen lassen, und zwar bestens.

Für Fans des „film noir“, des schwarzen Films.

Thomas Engel