So weit und groß

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Selbst wer mit dem Namen Otto Modersohn wenig anfangen kann, wird den Landschaftsgemälden des Mitbegründers der Künstlerkolonie Worpswede und Ehemanns von Paula Modersohn-Becker schon einmal begegnet sein: tief geduckte strohgedeckte Katen unter weiten Himmeln, stille Moorgräben, auf denen Torfkähne mit roten Segeln gemächlich gleiten, Birken im Moos, immer wieder Himmel, Wasser und Variationen von Grün-Braun. „So weit und groß“ erzählt die Geschichte des Künstlers ausschließlich anhand von zeitgenössischen Dokumenten: Tagebuchaufzeichnungen, Briefen, Gemälden, Zeichnungen und Fotografien.

Webseite: www.soweitundgross.de

Deutschland 2010
Regie, Schnitt, Produktion: Carlo Modersohn
Buch: Marina Bohlmann-Modersohn
Musik: Therese Strasser
Stimmen: Hanns Zischler, Robert Levin, Verena Güntner, Matthias Scherwenikas
Länge: 74 Minuten
Verleih: Film Kino Text
Filmstart: 3.2.2011
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

„So weit und groß“ verfolgt den künstlerischen Werdegang Otto Modersohns von den ersten Zeichnungen seiner Kindheit in Soest und München bis zu den atmosphärischen Abendlandschaften seiner letzten Jahre. Bereits als Junge zeichnet Modersohn leidenschaftlich gerne. Nach der Schule beginnt er an der Düsseldorfer Kunstakademie zu studieren, hadert aber schon bald mit dem dort herrschenden akademischen Stil und wechselt nach Karlsruhe, wo er erstmals großformatige Landschaftsbilder malt. Als er 1889 mit Fritz Mackensen das Dörfchen Worpswede im Teufelsmoor besucht, hat er sein Sujet und seinen Lebensort gefunden. Hier lernt er auch seine zweite Frau, die bekannte Künstlerin Paula Modersohn-Becker, und seine dritte Ehefrau Louise Breling kennen. Mit Paula Modersohn-Becker verbringt Modersohn einige Zeit in Paris, mit Louise Breling kauft er ein Haus im Allgäu, aber immer wieder kehrt er in die weite, von Wasser und Himmel bestimmte norddeutsche Landschaft zurück, um sich dem Studium der Natur zu widmen.

„Einfachheit, Intimität und Innerlichkeit“ sind Modersohns künstlerische Leitsätze. Inspiriert von den französischen Freiluftmalern des 19 Jahrhunderts, später auch von den Impressionisten und Van Gogh widmet er sich sein Leben lang den Erscheinungsformen der Natur. Eine Fülle von Bildmaterial dokumentiert seine Faszination für Wind, Wasser, Reflektionen und den Wechsel der Farben, die ihn zunehmend abstrakter malen lässt. Besonders eindrucksvoll sind die sogenannten „Abendblätter“, virtuose kleine Kohlezeichnungen, die Modersohn nach Sonnenuntergang in seinem Worpsweder Haus fertigt. Schön sind auch die zeitgenössischen Fotografien von den Landschaften, die Modersohn inspirierten und die es so zum Teil nicht mehr gibt. Ein Wermutstropfen sind allerdings die vielen überflüssigen Kamerazooms auf Bilder und Fotos, die wohl für Dynamik sorgen sollen.

„So weit und groß“ schildert eine in sich versunkene Welt, in der sich alles um Bilder und Maler dreht. Otto Modersohn malt, wo immer er gerade ist, seine Ehefrauen Paula Modersohn-Becker, die einen großen Teil des Films einnimmt, und Louise Breling malen. Die Freunde der Modersohns malen. Sogar die Haushälterin der Modersohns malt und kommt mit ihren Blumenbildern zu einiger Berühmtheit. Auch in den fast ausschließlich zeitgenössischen Texten – den Tagebuchaufzeichnungen von Otto und Paula, den rührend lebhaften Briefen von Paula, den feinfühligen Beschreibungen von Rainer Maria Rilke – geht es hauptsächlich um Kunst und ein Leben im Zeichen der Kunst. Die Welt drumherum, in der sich immerhin Weltkriege und Revolutionen abspielen, kommt nur ganz am Rande vor. Etwa wenn Otto eine Petition für den Ankauf ausländischer Werke durch deutsche Museen unterschreibt, oder der Erzähler nebenbei erwähnt, dass Modersohn in den 40er Jahren von den Nationalsozialisten ausgezeichnet wurde während zum gleichen Zeitpunkt die Werke der von ihm bewunderten Paula als entartete Kunst galten.

Der Titel des Films bezieht sich übrigens auf eine Tagebuchaufzeichnung Modersohns, die er nach seinem ersten Besuch in Worpswede verfasste: "Mittwoch, 3. Juli 1889 kam ich mit F. Mackensen voller Erwartung hier an. Ich sah fast gleich, dass meine Erwartungen nicht getäuscht waren. Ich fand ein höchst originelles Dorf, das auf mich einen durchaus fremdartigen Eindruck machte; der hügelige sandige Boden im Dorf selbst, die großen bemoosten Strohdächer und nach allen Seiten, soweit man sehen konnte, alles so weit und so groß wie am Meer."

Hendrike Bake

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