Mein Kampf

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"Mein Kampf" mit Götz George und Tom Schilling nach dem gleichnamigen Theaterstück von George Tabori: Der Führer als junger Mann - das ist der Ansatz von George Taboris Farce über die Bekanntschaft von Adolf Hitler mit dem jüdischen Bibelverkäufer Schlomo Herzl. Gerade die Überzeichnung antisemitischer Klischees entlarvt diese, doch genau daran scheitert Urs Odermatts Verfilmung. Allzu naturalistisch wirken Tom Schilling, Götz George und die Inszenierung an sich, die sich dadurch, fraglos unintendiert, in gefährliches Fahrwasser begibt.

Webseite: www.barnsteiner-film.de

Deutschland/ Österreich/ Schweiz 2010
Regie: Urs Odermatt
Drehbuch: Urs Odermatt, nach dem Theaterstück von George Tabori
Darsteller: Tom Schilling, Götz George, Anna Unterberger, Bernd Birkhahn, Wolf Bachofner, Elisabeth Orth
Länge: 100 Min.
Verleih: UFA Cinema GmbH / barnsteiner-film
Kinostart: 3. März 2011

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Wien, 1910. Verlumpt und verbittert kommt der junge Adolf Hitler (Tom Schilling) nach Wien. Hier hofft er an der Kunstakademie angenommen zu werden, um die angestrebte Laufbahn als Künstler beginnen zu können. In einem heruntergekommenen Männerasyl trifft er auf den jüdischen Bibelverkäufer Schlomo Herzl (Götz George), der sich in selbstloser Manier dem ungehobelten jungen Mann trotz dessen bei jeder Gelegenheit zur Schau gestellten Antisemitismus annimmt. Zum ersten Mal erfährt Hitler menschliche Wärme, doch seinen Weg kann dies nicht beeinflussen.

Zwar lebte Hitler zwischen 1907 und 1913 tatsächlich in Wien, auch seine Versuche als Künstler sind belegt, ansonsten aber imaginierte George Tabori in seinem 1987 uraufgeführten Stück einen Hitler, wie es ihn nie gegeben hat. Bei Tabori ist es der Jude Herzl, dem Hitler nicht nur seine typische Frisur und den markanten Schnauzbart zu verdanken hat, auch den Weg in die Politik beginnt Taboris Hitler erst auf Anregung Herzls zu gehen.

Anders ausgedrückt: Die Juden sind selbst Schuld an ihrem Unglück. Der Nähe zu diesem beliebten antisemitischen Klischee entgeht Tabori durch die Überzeichnung seiner Figuren, die das Theaterstück „Mein Kampf“ in eine Farce verwandeln, die kein normal denkender Mensch als realistische Darstellung des Werdegangs Adolf Hitlers verstehen wird. Was Urs Odermatts Film nun so problematisch macht, sind ironischerweise die starken darstellerischen Leistungen seiner Hauptdarsteller. Sowohl Götz George als weiser, leicht melancholischer jüdischer Bibelverkäufer Schlomo Herzl, als auch Tom Schillings brodelnder, ungestümer Adolf Hitler sind faszinierende Figuren. Nur leider im falschen Film.

Es mag am Medium Kino liegen, dass durch das Drehen an Originalschauplätzen bzw. authentisch wirkender Kulissen ein Naturalismus Einzug in die Erzählung herrscht, die das notwendige groteske Element unterläuft. Vielleicht ist es auch die Angst vor dem düsteren Mythos Hitler bzw. Nationalsozialismus, die vor Odermatt etwa auch schon einen Regisseur wie Dany Levi bei „Mein Führer“ oder zuletzt Oskar Rohler mit „Jud Süss“ scheitern ließ: Bei allen drei Filmen bleibt es bei Ansätzen zur Groteske, die aber immer wieder von einer offenbar nur schwer zu überwindenden Angst zurückgehalten werden, Hitler komplett ins Lächerliche zu ziehen. So konsequent wie Christoph Schlingensiefs „100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker“ oder Romuald Karmakers „Eine Freundschaft in Deutschland“ sind nur die wenigsten Hitler-Filme und auch Odermatts „Mein Kampf“ reiht sich in die Reihe derer ein, denen ihre Unentschlossenheit zum Verhängnis wird. Denn letztlich wird hier weder eine realistische Darstellung des jungen Hitlers auf den Weg zum Massenmörder gezeigt, noch die von Tabori intendierte Farce, die durch ihre groteske Überzeichnung die Strukturen des Faschismus entlarvt. Der „Hitler-Film“ bleibt im deutschen Kino ein zwar beliebtes, aber aus vielerlei Gründen schwieriges Terrain voller Tretminen und Fallstricken, denen auszuweichen nur den wenigsten Regisseuren gelingt.

Michael Meyns

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