Sorda ist das spanische Wort für taub. Einen ganz funktionalen Titel hat Eva Libertad ihrem Debütfilm „Sorda – Der Klang der Welt“ also gegeben, der bei der Berlinale mit dem Panorama-Publikumspreis ausgezeichnet wurde. Verständlich, denn Libertad gelingt es überzeugend, einen Einblick in die Welt der Gehörlosen zu geben, aber auch zu zeigen, wie schwierig es für Hörende ist, sich richtig zu verhalten.
Über den Film
Originaltitel
Sorda
Deutscher Titel
Sorda – Der Klang der Welt
Produktionsland
SPA
Filmdauer
99 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Libertad, Eva
Verleih
Piffl Medien GmbH
Starttermin
30.10.2025
Seit einigen Jahren sind Ángela (Miriam Garlo) und Héctor (Álvaro Cervantes) ein Paar und meistern auch die besondere Schwierigkeit ihrer Verbindung: Ángela ist fast komplett gehörlos, während Héctor hören kann. Er hat Gebärdensprache gelernt, beherrscht diese Form der Kommunikation gut, wenngleich nicht so perfekt wie Ángela und ihre gehörlosen Freunde, die mit atemberaubender Geschwindigkeit kommunizieren. In solchen Momenten ist es Héctor, der sich etwas ausgeschlossen fühlt, der dann nur danebensitzt und versucht, dem Gespräch zu folgen.
Denn das Paar hat sein Leben fast vollständig auf Ángela zugeschnitten, die in einer Töpferei arbeitet, wo ihre Kollegen auch ein paar Worte Gebärdensprache können und ihr mit großer Sympathie begegnen. Doch nun ist Ángela schwanger, eigentlich ein freudiger Moment, der jedoch bald von der Sorge überschattet wird, ob das Baby gehörlos werden könnte.
Ángela selbst wurde hörend geboren, hat hörende Eltern und verlor ihr Gehör erst als Kind. Eine komplizierte Familienkonstellation, die nach der Geburt des Babys eskaliert: Bald wird klar, dass das Baby hören kann, es also auch in eine Kita gehen wird, in der die anderen Kinder ebenfalls hörend sind.
Als einziger gehörlose Elternteil fühlt sich Ángela dort zunehmend außen vor, nimmt es Héctor übel, wenn er einmal vergisst, nicht nur auf Spanisch mit dem Kind zu kommunizieren, sondern gleichzeitig auch Gebärden zu verwenden. Durch ihr hörendes Kind werden der gehörlosen Ángela schmerzhaft bewusst, dass es Hindernisse gibt, die kaum zu überwinden sind.
Autorin und Regisseurin Eva Libertad ist die Schwester von Hauptdarstellerin Miriam Garlo, die selbst gehörlos ist. Als Garlo darüber nachdachte, ein Kind zu bekommen, entstand der Gedanke, einen Film über das Thema zu drehen. Was zunächst ein Kurzfilm war, wurde von Eva Libertad nun zu einem abendfüllenden Film erweitert, der in mancherlei Hinsicht dokumentarisch wirkt.
Besonders authentisch wirken Szenen, an denen Ángela und ihre gehörlosen Freunde am Tisch sitzen, aber auch Momente im Kindergarten oder auf Spielplätzen, in denen Ángela mit ihrer Isolation kämpft, zumal sie nur ungern ein Hörgerät trägt, dass ihr zumindest einen gewissen Zugang zur Welt der Hörenden geben würde.
Diese Welten filmisch darzustellen war eins der Ziele von Libertad, die sie auf zwei Arten zu erreichen versucht. Zum einen verwendet sie sogenannte SDH-Untertitel (Subtitles for the Deaf and Hard of Hearing), die normalerweise etwa bei DVDs oder Blurays bewusst zugeschaltet werden können, hier aber integraler Teil der Filmkopie sind. Auch wenn für Hörende also Geräusche wie Hundegebell oder Vogelgezwitscher zu hören ist, sind dennoch Untertitel zu sehen, in denen auf die Geräusche hingewiesen wird.
Ein für Hörende jedoch besonders beeindruckender Effekt beginnt, als nach einem heftigen Streit zwischen Ángela und Héctor, die akustische Perspektive der Gehörlosen eingenommen wird. Auf einmal besteht die Tonspur des Films nur noch aus Rauschen, ist mal ein dumpfes Klopfen zu hören und dann, als Ángela ihr Hörgerät einschaltet, grelle Töne, verzerrte Geräusche, zwar auch wahrnehmbare Sätze, all das aber in einer metallischen, unangenehmen Form, die verständlich werden lässt, warum diese Form des Hörens vor allem anstrengend ist.
Gerade diese Szenen zeigen spürbar oder besser hörbar, welche Schwierigkeiten auch noch so wohlmeinende Versuche haben, zwischen den Welten der Hörenden und Gehörlosen zu vermitteln. Sich wirklich vorzustellen, wie die andere Seite sich fühlt ist auch bei großer Empathie nicht leicht und zwangsläufig ein Kompromiss. Mehr noch als das aufklärerische Element überzeugt „Sorda – Der Klang der Welt“ als emotionales Drama, das ohne Sentimentalitäten die Schwierigkeit einer Beziehung zeigt, bei denen zwei Welten kollidieren.
Michael Meyns