Sowas von super!

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„Endlich mal kein Franchise-Superheldenstoff aus Hollywood!“, möchte man laut ausrufen, um dann festzustellen, dass der norwegische Animationsbeitrag „Sowas von super!“ ähnlich mechanisch aufgebaut ist wie viele der US-amerikanischen Weltenretter-Blockbuster. In der Geschichte um eine 11-jährige Computerspielexpertin, die in die Fußstapfen ihres zupackenden Vaters treten soll, stecken durchaus aufwühlende Konflikte. Wirklich sezieren will sie der 77-minütige Familienfilm allerdings nicht.

Regie: Rasmus A. Sivertsen
Drehbuch: Kamilla Krogsven
Länge: 77 Minuten
FSK: ab 0 Jahren
Verleih/Vertrieb: MFA+ FilmDistribution e.K.
Kinostart: 21.03.2024
Website: https://www.mfa-film.de/kino/id/sowas-von-super/

FILMKRITIK:

Ist es ein Fluch oder ein Segen, wenn der eigene Vater als Superheld durch die Gegend düst und die Heimatstadt vor allem bewahrt, was gefährlich werden könnte? Im Fall der 11-jährigen Hedwig definitiv Ersteres! Computerspiele liegen ihr. Andere Talente scheint sie aber nicht zu haben, weshalb ihr Dad wenig mit ihr anzufangen weiß. Noch trägt er, von der Öffentlichkeit unbemerkt, den magischen Superlöwenanzug, der bestehende Eigenschaften verstärkt und schon seit langer Zeit in der Familie von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird. Irgendwann kommt jedoch der Moment, in dem es frische Kräfte braucht.

Als das Kostüm eines Tages beim Waschen versehentlich einläuft und dem Vater plötzlich viel zu klein ist, schlägt Hedwigs Stunde. Theoretisch zumindest, denn das Training läuft alles andere als zufriedenstellend. Immer wieder muss der Papa das von seiner Tochter ausgelöste Chaos bereinigen. Entnervt gibt er schließlich auf und wendet sich Hedwigs erstaunlich begabtem Cousin Adrian zu, der in seinen Augen als Superlöwe eine deutlich bessere Figur abgeben wird. Verständlicherweise ist die 11-Jährige schwer enttäuscht. In ihrer noch sehr rüstigen Oma, einst selbst als Superheldin aktiv, findet sie allerdings eine Verbündete, die fest an Hedwigs Eignung glaubt.

„Sowas von super!“ macht es wie viele andere Familienfilme auch. Die Koordinaten werden von Anfang an klar abgesteckt. Soll heißen: Probleme und Figuren zeichnen sich nicht durch große Ambivalenzen aus, sondern sind sehr eindeutig gebaut. Hedwig ist etwas nerdig, treibt keinen Sport, verbringt stattdessen mit ihrem Kumpel Thomas viel Zeit vor dem PC. Adrian wiederum ist der schrecklich arrogante Alleskönner, der sich in seinen Stärken sonnt und von seinen Eltern übertrieben abgefeiert wird. Hedwigs Vater, nach dem Tod ihrer Mutter eigentlich die engste Bezugsperson, legt einzig seine Erwartungen als Maßstab an seine Tochter an und merkt kein bisschen, wie sehr sie echte Zuwendung benötigt. Durchbrochen wird das Raster ein wenig von ihrer Oma, die zwar im Altenheim lebt, sich aber für keinen Spaß zu schade ist. Wenn es die Situation erfordert, klaut die Ex-Superlöwin schon mal ein Auto. Ganz klar: Betritt die Rentnerin die Bühne, sind Schwung und lustige Momente garantiert. Arg platt gerät hingegen die Figur ihres dementen Mitbewohners, der irgendetwas vor sich hin brabbelt und zu einem Running Gag verkommt.

Was man mit Blick auf die Handlung positiv hervorheben muss: Den mittlerweile komplett ausgelutschten Bösewicht mit durchgeknallten Vernichtungsplänen gibt es hier zur Abwechslung einmal nicht. Eine antagonistische Kraft, der es Einhalt zu gebieten gilt, kommt gegen Ende dennoch zum Vorschein. Mit der Vater-Tochter-Geschichte hat das Drehbuch einen Kern, der emotional involvieren könnte. Gerade im Mittelteil schenkt „Sowas von super!“ dem zentralen Konflikt, seinen tiefliegenden Wurzeln jedoch zu wenig Aufmerksamkeit. Kein Wunder, dass bei dieser mäßigen Vorarbeit die vorhersehbare Annäherung im letzten Drittel behauptet wirkt, sich nicht verdient anfühlt. So löblich die dabei vermittelte Botschaft auch sein mag. Ebenfalls schade, wie mechanisch der große Showdown auf den Weg gebracht wird. Eine Gefahr, von der zwischendurch immer mal wieder die Rede ist, konkretisiert sich natürlich genau in dem Augenblick, als Hedwig wichtige Erkenntnisse über sich und ihre Rolle im Gesamtgefüge gewonnen hat.

In puncto optische Gestaltung reißt der vom norwegischen Studio Qvisten Animation produzierte Film sicher nicht die größten Bäume aus, da es zum Beispiel an Detailreichtum fehlt. Hübsch anzuschauen sind die zuweilen mit Comicelementen (etwa knackigen Geräuschworten) aufgepeppten Bilder trotzdem. Actionsequenzen, die es zum Glück nicht in Dauerschleife zu sehen gibt, präsentieren sich recht dynamisch, manchmal gar halsbrecherisch wie im Fall des explosiven Auftaktspektakels, bei dem Hedwigs Vater sein Können als Held unter Beweis stellt.

Eine Kontroverse löste „Sowas von super!“ übrigens vor seiner Aufführung bei der Berlinale im Februar 2023 aus. Eine Taskforce gegen Rassismus erhob Blackfacing-Vorwürfe und kritisierte, dass die weißen Protagonisten im Film ein Löwenkostüm überstreifen würden, das in Teilen dunkler sei als das tatsächliche Erscheinungsbild der afrikanischen Raubkatzen – was kolonialistische und rassistische Muster wiederhole. Keine Frage, gerade heutzutage ist es wichtiger denn je, auf problematische Darstellungen in Kinowerken hinzuweisen. Schießt die Diskussion aber hier nicht etwas übers Ziel hinaus? Immerhin ist der Aufhänger ein Superheldenanzug, ein fiktives Kleidungsstück.

Christopher Diekhaus