Manchmal reicht es, am richtigen Ort zu sein und mit der Kamera zu beobachten: Kurz nach dem russischen Abzug kamen die Filmemacher Mila Teshaieva und Marcus Lenz ins ukrainische Bucha, das wie kaum ein anderer Ort zum Symbol für russische Verbrechen wurde. Mit „Splitter aus Licht“ hat das Duo nun einen zweiten Dokumentarfilm über die Menschen der Stadt gedreht, der nüchtern dokumentiert, wie das Leben weitergeht.
Über den Film
Originaltitel
Splitter aus Licht – уламки-світла
Deutscher Titel
Splitter aus Licht – уламки-світла
Produktionsland
DEU, UKR, DEN
Filmdauer
93 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Teshaieva, Mila / Lenz, Marcus
Verleih
barnsteiner-film
Starttermin
30.10.2025
Im März 2022 kamen Mila Teshaieva und Marcus Lenz zum ersten Mal nach Bucha, jener kleinen Stadt nur 25 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Kyjiw gelegen und wurden so zu Augenzeugen, wie erst die Bewohner des Ortes und dann die Weltöffentlichkeit die Verwüstung entdeckten, die die russischen Truppen wenige Tage vorher angerichtet hatten. Aus dem Material entstand der Dokumentarfilm „When Spring came to Bucha“, dem sie nun, drei Jahre später, „Splitter aus Licht“ folgen lassen.
War der erste Film eine Momentaufnahme, ein Dokumentieren der russischen Verbrechen, ist dieser nun eine Langzeitdokumentation, für die die Regisseure immer wieder in Bucha waren, ihre Protagonisten beim Versuch beobachtet haben, nach der Zerstörung wieder ein halbwegs normales Leben aufzubauen.
Zunächst ist da die konkrete Zerstörung, die zerbombten Häuser, die Normalität verhindern. Taras etwa, ist in Bucha zurückgeblieben und baut das Haus der Familie nach und nach wieder auf. Anfangs lebt er noch in einer halben Ruine, doch im Laufe der Zeit wird es wohnlicher. Allein seine Familie, Frau und Tochter, fehlen, sie leben inzwischen in der Schweiz, in Sicherheit zwar, aber weit weg der Heimat. Per Facetime spricht der Vater gelegentlich mit seinen Angehörigen, gratuliert seiner kleinen Tochter zum Geburtstag, doch wann die Trennung beendet werden kann, bleibt offen.
Neben der Zerstörung von Gebäuden, Ruinen, die verhältnismäßig schnell beseitigt werden können, steht die Zerstörung von Vertrauen in die Mitmenschen. Auch in Bucha haben ethnische Russen gelebt, denen nun oft vorgeworfen wird, mit den russischen Invasoren kollaboriert zu haben. Olga etwa, die während der Befreiung der Stadt Menschen beschützt hat, sich nun aber Vorwürfen ausgesetzt sieht. Jemand hat sie angezeigt, vielleicht auch aus persönlichen Gründen, nun muss sich Olga verteidigen, unterzieht sich einem Lügendetektortest. Doch wie will man in so einer Situation, wo zivile Strukturen noch zerstört sind, wo die Wut über das Erlittene noch groß ist, beweisen, dass man etwas nicht getan hat?
Es ist die größte Stärke von „Splitter aus Licht“, dass die Regisseure solchen Fragen nicht ausweichen, dass sie aufzeigen, wie sehr ein Krieg auch die Grundfesten einer Gesellschaft angreift, das soziale Gefüge zersetzt. Allein die Frage der Sprache: Lange Zeit wurde in der Ukraine vor allem Russisch gesprochen, während das Ukrainische selbst in Wahlkämpfen und im Fernsehen eher Zweitsprache war. Schon vor 2022 hatte sich das langsam geändert, eine Entwicklung, die durch den russischen Überfall noch verstärkt wurde. Mit der Folge, dass inzwischen ethnische Russen in der Ukraine, die etwa aus den östlichen Landesteilen in den Westen geflohen sind, wegen ihrer Verwendung des Russischen Probleme bekommen, bisweilen als russische Agenten gesehen werden, sich verteidigen müssen, obwohl sie genauso Opfer des Krieges sind, wie andere Ukrainer.
So werden die Folgen des Krieges auch dann noch spürbar sein, wenn zerstörte Gebäude längst wieder aufgebaut sind. Vor allem dann, wenn es nach dem Ende der Kampfhandlungen an eine juristische Aufarbeitung geht, um den Versuch, Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Immer wieder zeigt „Splitter aus Licht“ erste Versuche der Spurensicherung, der Zeugenvernehmung, sogar Prozesse in absentia, bei denen Täter verurteilt werden, die in Russland leben und wohl nie wirklich für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden könne. Irgendwann wird der Krieg vorbei sein, aber die Folgen, das wird mehr als deutlich, werden die ukrainische Gesellschaft noch sehr lange beschäftigen.
Michael Meyns







