Suzume

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20 Jahre hat es gedauert bis nach Hayao Miyazakis „Spirited Away“ erneut ein Animationsfilm im Wettbewerb der Berlinale gezeigt wurde. Diese Ehre widerfuhr einem der momentan führenden Anime-Regisseure Japans: Makoto Shinkai, der mit „Suzume“ die Reihe seiner bildgewaltigen, sanft mythologischen Filme fortsetzt, in denen eine jugendliche Heldin im Mittelpunkt steht.

Suzume no tojimari
Japan 2022
Regie & Buch: Makoto Shinkai
Animationsfilm

Länge: 121 Minuten
Verleih: Wild Bunch Germany / Crunchyroll
Kinostart: 13. April 2023

FILMKRITIK:

Die 17jährige Suzume lebt bei ihrer Tante auf Kyushu, der südlichsten der vier japanischen Hauptinseln. Eines Morgens begegnet ihr auf dem Weg zur Schule ein seltsamer Fremder, der sich bald als Souta vorstellt. Eine spontane Eingebung lässt Suzume dem Fremden folgen, der in einer abgelegenen, von Ruinen geprägten Gegend verschwindet. Mitten in einem Raum findet Suzume eine allein stehende Tür, durch deren Öffnung sie in eine andere Welt blickt. Fasziniert von diesem magischen Ort begeht sie einen großen Fehler: Sie bewegt den Türstein, der sich plötzlich in die Gotteskatze Daijin verwandelt.

Vor allem aber erlaubt es einem riesigen Wurm von der Gegenwelt in die Welt der Menschen überzuwechseln. Allein Suzume und Souta können den Wurm sehen, der sich langsam zu gigantischer Größe erhebt und droht, auf die Erde niederzufallen. Wenn das geschieht, erschüttert eines jener Erdbeben die japanischen Inseln, die mit unschönem Abstand für Tot und Zerstörung sorgen.

Dieses Mal gelingt es Suzume und Souta noch, die Tür zu schließen und damit das Erdbeben zu verhindern. Doch die Katze Dajin begibt sich auf eine Reise quer durch die japanischen Inseln, immer auf der Suche nach einer offenen Tür. Allein Souza könnte die Bedrohung stoppen, denn er ist ein Schließer, eine Art Türwächter. Doch unglücklicherweise hat er sich in einen dreibeinigen Stuhl verwandelt, mit dem sich Suzume nun auf die Suche nach Daijin macht, eine Suche, die sie auch mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert.

Fast alle Japaner sind Anhänger des Animismus, einer spirituellen Glaubensform, nach der alle Dinge beseelt sind. So ist es nur naheliegend, wenn Makato Shinkai in „Suzume“ auch die Erdbeben, die Japan immer wieder erschüttern, als Ausdruck einer Lebensform imaginiert. Verknüpft wird dieses Motiv mit den so genanten Haiykos, Ruinen, die sich überall auf den Inseln finden lassen. Nicht nur durch von Erdbeben verursachten Zerstörungen, sondern auch durch die alternde Bevölkerung und die Verstädterung, die zur Aufgabe ganzer Ortschaften geführt hat. In diesen Orten finden sich die Türen, an denen entlang Suzumes Reise durch Japan entlangführt, bis hin zur Tohuku-Region nördlich von Tokio, wo 2011 das letzte verheerende Erdbeben stattfand, in dessen Folge der Tsunami entstand, der zur Katastrophe von Fukushima führte.

Doch nicht dieses nationale Trauma ist roter Faden der Geschichte, sondern der Verlust ihrer Mutter, die Suzume im Alter von vier Jahren verlor. In der Gegenwelt begegnet sie ihr immer wieder, werden lange verschüttete Erinnerungen wach, kann die inzwischen fast erwachsene Suzume endlich mit der Vergangenheit abschließen.

So dramatisch und schwer sich das anhört, so leichtfüßig und humorvoll wird in „Suzume“ erzählt. Der typische grellbunte, bildgewaltige Stil, mit dem Makoto Shinkai in seinen beiden vorhergehenden Filmen „Weathering with you“ und „Your Name“ bekannt geworden ist, sorgt auch in „Suzume“ für atemberaubende Bilder, die vom ebenso typischen J-Pop-Soundtrack untermalt werden. An der Grenze zum Kitsch bewegt sich das zwar oft, Fans des japanischen Animationskinos kommen in den zwei mitreißenden Stunden von „Suzume“ jedoch voll auf ihre Kosten.

 

Michael Meyns