Sweetgrass

Zum Vergrößern klicken

Ein Ausflug ins Marlboro-Country, wo lässige Cowboy Viehherden hüten und das Land weit und wild-romantisch ist. Die herausragende Dokumentation „Sweetgrass“ ist genau das Gegenteil: Ein unsentimentaler Blick auf Schafzüchter in Montana, die ihre riesigen Herden durch atemberaubende Landschaften treiben, denen sie keines Blickes würdigen. Von Cowboy-Klischees bleibt nichts übrig, obgleich der Film ein Abgesang auf einen aussterbenden Berufsstand ist.

Webseite: www.arsenal-berlin.de

USA 2009 - Dokumentation
Regie: Lucien Castaing-Taylor, Ilisa Barbash
Länge: 115 Min.
Verleih: Arsenal - Institut für Film und Videokunst
Kinostart: 24. September 2009
 

PRESSESTIMMEN:

...

FILMKRITIK:

Als Lucien Castaing-Taylor und Ilisa Barbash 2001 mit der Arbeit an diesem Film begannen, war ihnen die tragweite dieses Projektes wohl nicht bewusst. 2004 drehten sie die letzten Bilder vom Viehtreck durch die Weiten Montanas, gleichzeitig auch das letzte Mal, das Cowboys zu Pferd, begleitet von einigen Hunden ihre riesigen Herden über Hügel und Wildbäche trieben. Die Moderne drängt unaufhaltsam auch in die letzten Refugien vor, verdrängt Traditionen, die kaum noch jemand als romantisch empfindet. Zu hart ist die Arbeit, zu karg das Leben, das „Sweetgrass“ – benannt nach einem der im Film zu sehenden Weidegründe – schildert.

Es beginnt auf einer Farm, Jungtiere werden geboren und ganz unsentimental einer fremden Mutter untergeschoben, falls deren Nachwuchs die Geburt nicht überlebt hat. Schon hier zeigt sich ein vollkommen pragmatischer Umgang mit Tieren, die nicht ihrer Schönheit wegen gehalten werden, sondern ausschließlich wegen ihres Nutzwertes. Und bei Herden von tausenden Tieren, die gefüttert, geschoren und über hunderte Kilometer getrieben werden wollen, kann man es sich nun mal nicht leisten sentimental zu sein. Dementsprechend rustikal muten die Cowboys an, die weniger porträtiert werden, als den Film bevölkern. Raue Burschen, wettergegerbt, aber auch weinerlich und selbstmitleidig, wenn sie ihrer Mutter am Walkie-Talkie ihr Leid klagen, sich über die Härte der Arbeit und kaputte Knie beklagen. Vom Mythos des Cowboys bleibt wenig übrig nach diesem Film.

Ohne Kommentar beobachten die Autoren das Treiben, die jahrelangen Dreharbeiten sorgten offenbar für eine Nähe, die die Cowboys vergessen ließen, dass sie gefilmt, vor allem aber auf Tonband aufgenommen wurden. Manches Mal hört man einsame Männer vor sich hin reden, Selbstgespräche führen oder einfach nur über das Schicksal hadern. Oder besser schimpfen, die unglaublichen Kaskaden von Flüchen, mit denen die Berge, die Tiere, das Leben an sich belegt werden, würden so manchen Straßenjungen erröten lassen.

Neben diesen amüsanten Schimpftiraden sind es nicht zuletzt die atemberaubenden Bilder, die von „Sweetgrass“ in Erinnerung bleiben. Manchmal steht die Kamera auf dem gegenüberliegenden Hang, werden die Schafe zu winzigen Figürchen, die sich langsam den Weg durch Berg und Tal bahnen. Besonders eindrucksvoll ist das, wenn ein Hirtenhund die Herde antreibt und wie ein Magnet wirkt, der Schafe anstelle von Eisenspänen von sich weg drückt. Die Schönheit im Alltäglichen zeigt der Film, eine zu Ende gehenden Welt, unsentimental und doch zutiefst elegisch.

Michael Meyns

.