Talk to me

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Berühmtheit im Internet auch in andere Medien zu übertragen gelingt nicht vielen der Myriaden an Influencern und Youtubern, die die sozialen Kanäle überfluten. Mit ihrem Filmdebüt „Talk to me“ könnten die australischen Brüdern Danny & Michael Philippou dies jedoch schaffen, denn trotz vieler konventioneller Bauteile ist ihr Horror-Thriller oft extrem spannend und im besten Sinne unangenehm.

Australien 2022
Regie: Danny Philippou & Michael Philippou
Buch: Bill Hinzman, Daley Pearson & Danny Philippou
Darsteller: Sophie Wilde, Joe Bird, Alexandra Jensen, Otis Dhanji, Miranda Otto, Zoe Terakes, Chris Alosio

Länge: 94 Minuten
Verleih: Capelight
Kinostart:27. Juli 2023

FILMKRITIK:

„Sprich mit mir“ sagen die Versuchskaninchen zu der mumifizierten Hand, während ihre Freunde sie filmen. Wie ein Partyspiel der etwas extremeren Art mutet es an, doch die blutige Auftaktsequenz hat zumindest dem Zuschauer unmissverständlich gezeigt, das es alles andere als ein Spiel ist. Freiwillig hat sich Mia (Sophie Wilde) bereiterklärt, die Worte auszusprechen, auch wenn ihre Anwesenheit auf der Party für verdrehte Augen gesorgt hat. Denn seit Mias Mutter vor einem Jahr durch eine Überdosis Tabletten ums Leben kam, gilt Mia als labil und anstrengend.

Meist übernachtet sie bei ihrer besten Freundin Jade (Alexandra Jensen) und deren kleinem Bruder Riley (Joe Bird), deren Mutter Sue (Miranda Otto) Mia längst als Teil der Familie betrachtet. Während Jade die Vorsichtige des Duos ist, prescht Mia nach Vorne – und wird schnell mit Geistern konfrontiert. Nur 90 Sekunden darf man die Geister hineinlassen, warnen Hayley (Zoe Terakes) Joss (Chris Alosio), die Besitzer der Hand, die Meister des Spiels, die ständig auf der Suche nach neuen Extremen, nach neuen Highs sind.

Auch als Riley es ausprobieren will sagen sie nicht Nein, Jade dagegen sträubt sich, ihren Bruder spielen zu lassen. Doch Mia hält dagegen: 50 Sekunden nur, da droht doch keine Gefahr. Als dann aber Mias Mutter aus Riley zu sprechen scheint eskaliert die Situation, denn bekanntermaßen wird man die Geister, die man rief, nur schwer wieder los.

Als Youtube-Duo RackaRacka produzieren die aus Australien stammenden Brüder Danny und Michael Philippou seit einigen Jahren kurze Clips, Videos mit meist extremen Bildern, Schockvideos, die sich großer Beliebtheit erfreuen: Sieben Millionen Abonnenten folgen ihrem Kanal, insgesamt über zwei Milliarden Clicks haben ihre Videos inzwischen generiert. Doch über drei, vier Minuten zu fesseln ist etwas ganz anderes als über einen wenn auch mit gerade einmal 90 Minuten verhältnismäßig kurzen Film.

Etwas holprig mutet „Talk to me“ bisweilen dann auch an, nach einem blutigen Prolog werden die eigentlichen Hauptfiguren vorgestellt, lose charakterisiert, Verbindungen und unterschwellige Konflikte angedeutet. Und dann geht es schon los mit dem Spiel, mit der Geisterhand, die angeblich von einem Schamanen stammt. Was genau sich dahinter verbirgt bleibt offen, das magische, mysteriöse Element wird in den Raum gestellt, man muss sich darauf einlassen, ebenso wie auf die Existenz von Geistern, die in einer Art Zwischenwelt hausen.

Klassische Motive des Horrorkinos sind das, die Kommunikation zwischen Lebenden und Toten, Rachegefühle, die Notwendigkeit, in der realen Welt einen Abschluss zu finden, bevor ein Wesen in der anderen Welt zur Ruhe finden kann. Clever spielen die Brüder mit diesen Motiven, lassen genug im vagen, um den Zuschauer rätseln zu lassen, spielen mal mit Bildern einer überdrehten Horror-Satire, bleiben aber meist im dramatischen, auch drastischen. Sehr harte Bilder zeigt „Talk to me“ bisweilen, die sich keine Mühe geben, ihre Brutalität abzuschwächen. Gerade diese Konsequenz, der in der zweiten Hälfte des Films fast vollständige Verzicht von Ironie, macht „Talk to me“ zu einem ebenso harten, wie sehenswerten Horror-Thriller, der gespannt auf das macht, was diese Youtube-Brüder noch auf der großen Leinwand zu Stande bringen werden.

 

Michael Meyns