The American Society of Magical Negroes

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Kobi Libii hat mit seinem Film eine durchaus clevere, aber im Endeffekt zu zahme Satire auf ein Klischee produziert, das im amerikanischen Film seit langer Zeit gang und gäbe ist – das der schwarzen Nebenfigur, die nur existiert, um die Geschichte der weißen Hauptfigur voranzutreiben. Bei Libii wird daraus eine ganze Gemeinschaft magisch begabter Schwarzer, deren Aufgabe es ist, dafür zu sorgen, dass Weiße sich nicht unwohl fühlen, weil Schwarze dann sicherer leben.

Webseite: https://www.upig.de/micro/the-american-society-of-magical-negroes

The American Society of Magical Negroes
USA 2024
Regie: Kobi Libii
Buch: Kobi Libii
Darsteller: Justice Smith, Zachary Barton, Anthony Coons

Länge: 104 Minuten
Verleih: Universal Pictures
Kinostart: 25. April 2024

FILMKRITIK:

Aren (Justice Smith) ist Künstler, seine Werke interessieren aber kaum jemanden. Als er nach einer Ausstellung nach Hause geht, wird er fast das Opfer von ein paar Weißen – aber ein älterer farbiger Mann hilft ihn und teleportiert danach mit ihm zum Haus der American Society of Magical Negroes. Dies sind Schwarze mit magischen Fähigkeiten, die sie aber nur im Dienste eines Klienten einsetzen können. Klienten sind Weiße, die gegenüber Schwarzen ein Unbehagen empfinden, und aus solchem Unbehagen kann schnell Gewalt werden. Das Ziel der Society ist es also, die Weißen zu beruhigen, damit die Schwarzen ein klein wenig sicherer leben können. Aren ist der neueste Rekrut und erhält eine Aufgabe, die schwieriger nicht sein könnte. Einem Weißen im Beruf zu helfen – und in der Liebe. Dumm nur, dass er selbst in die Frau verliebt ist, um die es geht.

Das Klischee des Magical Negro hat Spike Lee in den frühen 2000er Jahren so benannt. Es handelt sich um schwarze Figuren, deren einziger Existenzgrund die Unterstützung der weißen Hauptfigur ist. Damals machte er dieses Klischee am Will-Smith-Film „Die Legende von Bagger Vance“ fest. Kobi Libii griff es für seinen Debütfilm auf und treibt es satirisch auf die Spitze, wenn er eine ganze Gemeinschaft von willigen Helfern ersinnt, die nichts Besseres zu tun haben, als der Geschichte weißer Figuren Vorschub zu leisten.

Das ist insofern clever, weil er die Hauptfigur, aber auch das Publikum damit konfrontiert, wie das schwarze Leben in den USA aussieht. Es ist von einer Gefahr geprägt, die Weiße gar nicht kennen. In einer Szene wird davon erzählt, wie ein Weißer überfallen und mit dem Messer bedroht ist, was dieser gar nicht fassen konnte. Er zog sogar in Betracht, dass das Messer ein Geschenk sein könnte, weil das in seiner Welt weniger irrational anmutete. Einer Welt, in der Privileg genutzt wird, ohne dass es anerkannt wird. Das gilt auch für Arens Klienten, der sich nicht für einen Rassisten hält, der aber entsprechende Tendenzen zeigt, und noch dazu das Privileg des weißen Mannes genießt, mit dem er auch Frauen in gleicher Position überlegen ist. In „The American Society of Magical Negroes“ geht es um mehr als nur um Schwarz und Weiß, es geht um Ungleichheit per se, und um die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten und -wahrnehmungen.

Das ist der Stoff für eine ganz große Satire – und am Anfang und Ende ist der Film das auch –, aber im Mittelteil ist er zu handzahm, zu genügsam, zu mutlos. Er zeigt nie die Konsequenzen, mit denen ein schwarzes Leben in den USA konfrontiert wird. Der Film macht es sich und dem Publikum einfach. Das ist eine Schwäche, weil der erzählerische Ansatz ein eigentlich sehr guter ist. Nur hätte Kobi Libii mehr daraus machen müssen.

Dass ein Film wie dieser eine Daseinsberechtigung und auch eine Wichtigkeit hat, zeigt wiederum das Review-Bombing bei der IMDb. Mehr als 70 Prozent haben eine 1-Stern-Bewertung hinterlassen. Man muss nicht lange überlegen, von welcher Art User diese Wertungen stammen – von Abgehängten und Enttäuschten, denen nichts geblieben ist als das Gefühl, einer privilegierten Schicht anzugehören, die ihre Annehmlichkeiten nicht verlieren will und von einer sich wandelnden Welt verängstigt ist.

Amüsant ist übrigens auch der Epilog – denn es gibt es gibt im US-Kino längst nicht nur das Klischee des Magical Negro …

 

Peter Osteried