The Commuter

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„Non-Stop“ hieß eine frühere Zusammenarbeit zwischen Regisseur Jaume Collet-Serra und Hauptdarsteller Liam Neeson, was auch ein passender Name für „The Commuter“ wäre, ein Thriller, der kaum einmal zur Ruhe kommt. Dennoch ist die etwas absurde Handlung nicht zu ignorieren, die die interessante, unterschwellige Gesellschaftskritik oft übertüncht.

Webseite: www.thecommuter.de

Frankreich/ GB/ USA 2017
Regie: Jaume Collet-Serra
Darsteller: Liam Neeson, Vera Farmiga, Patrick Wilson, Sam Neill, Elizabeth McGovern, Jonathan Banks, Florence Pugh
Länge: 105 Minuten
Verleih: Studiocanal
Kinostart: 11. Januar 2018

FILMKRITIK:

Seit Jahren geht Michael MacCauley (Liam Neeson) einem bis ins kleinste Detail geregeltem Leben nach: Punkt sechs steht er auf, frühstückt mit Frau und Kind, fährt zum Bahnhof und pendelt mit dem Zug nach New York. Dort arbeitet der ehemalige Polizist als Versicherungsmakler, leidlich erfolgreich, aber offenbar nicht erfolgreich genug: Denn an diesem Morgen wird er entlassen und steht nach zehn Jahren vor dem finanziellen Ruin.
 
Bevor er den Zug zurück nach Hause nimmt, trifft er noch kurz seinen ehemaligen Kollegen Murphy (Patrick Wilson) auf ein Bier und erreicht gerade noch den Zug nach Hause. Da setzt sich Joanna (Vera Farmiga) ihm gegenüber und drängt ihm ein Gespräch auf, das schnell eine merkwürdige Bahn einschlägt: Anfangs wirkt es noch wie eine hypothetische Frage, dann wie eine Bitte, doch schnell wird Michael klar, dass er gezwungen werden soll, Joanna und den Menschen, für die sie zu arbeiten scheint, zu helfen. Eine unbekannte Person, die ebenfalls im Zug sitzt, soll Michael ausfindig machen. Gelingt es ihm nicht, weigert er sich oder versucht er die Polizei zu alarmieren, stirbt seine Familie. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, der auch ein Kampf zwischen den 1% und den 99% der Gesellschaft ist.
 
Filme mit solch ungewöhnlichen, unrealistischen Konzepten wie „The Commuter“ verlangen natürlich danach, dass man die Maßstäbe, mit denen man realistische Dramen betrachtet über Bord wirft. So exaltiert ist die Idee eines Mannes, dem ein verlockendes Angebot gemacht wird, dass sich jedoch schnell als Albtraum erweist, dass man gern bereit ist, mitzugehen. Zumal Liam Neeson in den letzten Jahren immer wieder in solche Rollen geschlüpft ist, in Filmen wie „Unknown Identity“ oder der „96 Hours“-Reihe unbescholtene Männer gespielt hat, die in bester Hitchcock-Manier von einem Moment zum nächsten in außergewöhnliche Situationen gerieten.
 
Was der spanische Regisseur Jaume Collet-Serra und seine Drehbuchautoren in „The Commuter“ erzählen, mutet nun allerdings oft allzu hanebüchen konstruiert an, verlangt vom Zuschauer, allzu unglaubwürdige Zufälle hinzunehmen. Gut, Neeson spielt hier einen Ex-Cop, doch wie er sich immer wieder in Manier eines schier unverwundbaren Actionhelden aus brenzligen Situationen befreit, widerspricht allzu sehr dem Kern der Erzählung.
 
Denn da erzählt „The Commuter“ immer wieder von den Wirtschaftsproblemen der amerikanischen Mittel- und Unterschicht, deutet an, wie ein Mann wie MacCauley, der seinem Job nachgeht, Steuern zahlt, der sich also an die Spielregeln der Gesellschaft hält, dennoch von einem Tag auf den anderen alles verlieren kann. Einen Abriss der Gesellschaft versammelt Collet-Serra im Zug, von einer Krankenschwester bis hin zu einem Börsenmakler, so dass die Probleme MacCauleys immer wieder als Symbol für die Kämpfe der arbeitenden Bevölkerung des ganzen Landes wirken. Ein spannender Ansatz, der jedoch immer wieder hinter einer Thriller-Erzählung zurückstehen muss, die sich im Zweifelsfall lieber für den nächsten exaltierten Actionmoment entscheidet, als sich darum zu bemühen, ihre Figuren in einer glaubwürdigen Welt existieren zu lassen.
 
Michael Meyns