Die dritte Zusammenarbeit von Bill Condon und Ian McKellen, mit Helen Mirren in der weiblichen Hauptrolle und basierend auf dem erfolgreichen Roman von Nicholas Searle – was könnte da schon schiefgehen? Nicht viel, aber besser hätte man es in „The Good Liar“ sicherlich machen können, denn diese Geschichte um einen Gauner, der eine reiche Witwe ausnehmen will, war im Roman deutlich vielschichtiger und weniger auf den Twist ausgelegt. Gefällig ist der Film dank der beiden grandiosen Hauptdarsteller aber dennoch.
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USA 2019
Regie: Bill Condon
Buch: Jeffrey Hatcher
Darsteller: Ian McKellen, Helen Mirren, Russell Tovey
Länge: 107 Minuten
Verleih: Warner
Kinostart: 28. November 2019
FILMKRITIK:
Roy Courtnay (Ian McKellen) ist ein professioneller Betrüger, der gerade wieder ein paar Geschäftsleute ausgenommen hat. Da ist auch schon das nächste Opfer in Sicht: die Witwe Betty McLeish (Helen Mirren). Beide lernen sich online kennen, dann folgt ein erstes Date und es dauert nicht lange, bis Roy bei Helen eingezogen ist – sehr zum Missfallen ihres Enkels Steven (Russell Tovey), der Roy misstraut. Während Roy sich gebrechlich gibt, ist er eigentlich noch recht vital und treibt seine übrigen Geschäfte voran. Der große Coup soll aber Betty werden. So groß, dass Roy sich danach zur Ruhe setzen kann, aber kann er wirklich sicher sein, dass sie ihm nicht längst auf die Schliche gekommen ist?
Die Grundlage des Films ist Nicholas Searles Roman „Das alte Böse“, der zwar formal ein Thriller ist, aber eigentlich eher als Studie eines Berufsverbrechers gelten muss. Der Film erzählt ziemlich geradlinig, der Roman erlaubt sich größeres Spiel mit der Form. So bringt Searle eine Rückblende nach der anderen, lässt Roy dabei immer jünger werden und zeigt ihn bei seinen kriminellen Machenschaften, die auch von Mal zu Mal abstoßender werden. Bis alles zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs kulminiert.
Die Auflösung der Geschichte hat auch der Film beibehalten, der Weg dahin ist aber deutlich holpriger. Weil er auf die Hinführung verzichten muss, so dass die beiden noch vorhandenen Rückblenden, die noch dazu aus verschiedenen Blickwinkeln sind, ein wenig aus dem luftleeren Raum kommen. Sie sollen nicht nur überraschen, sie sollen der Geschichte einen Sinn geben, reißen ihr aber eigentlich die Füße unter dem Boden weg. Denn es ergeben sich zu viele Fragen, was die logische Kohärenz der Geschichte betrifft.
„The Good Liar“ ist aber auch kein Film, der mit seiner filigranen Geschichte punkten könnte. Dafür ist er viel zu vorhersehbar gestaltet. Als Zuschauer weiß man schnell, wie der Hase läuft, und das nicht nur, weil das Ganze an die Komödie „Zwei hinreißend verdorbene Schurken“ erinnert, nur eben in einer deutlich grimmigeren Version. Weil man aber eben auch um den Twist weiß, der unweigerlich kommen muss, ergibt sich so Leerlauf, da man als Zuschauer dem Film eine Nasenlänge voraus ist. Der Twist ist dann weniger Aha-Moment, als vielmehr die Bestätigung, dass man richtig lag.
Langweilig ist „The Good Liar“ aber dennoch nicht, auch wenn seine Vorhersehbarkeit verhindert, dass er ein wirklich großer Film werden könnte. Vielmehr punktet er mit den beiden grandiosen Hauptdarstellern, die den Film richtiggehend erhöhen. Es ist die reinste Freude, Helen Mirren, vor allem aber Ian McKellen zuzusehen. Letzterer hat die dankbarere Rolle, die an die Bösartigkeit seines Kurt Dussander in „Der Musterschüler“ erinnert.
Der große Wurf mag „The Good Liar“ nicht sein, großes Schauspielkino ist dieser elegant gestaltete Thriller aber auf jeden Fall.
Peter Osteried