The Imitation Game

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Der englische Mathematiker Alan Turing ist so verschroben wie grandios. Dank seiner Fähigkeiten gelingt es dem britischen Geheimdienst im Zweiten Weltkrieg, die als unangreifbar geltende Codierung der deutschen Enigma-Maschine zu knacken, mit der die Nazis ihre Befehle verschlüsseln. Dieses Wissen hat entscheidenden Einfluss auf den Kriegsverlauf. Der Sieg der Alliierten beschert dem Genie indes keinen Triumph. Seine Meisterleistung bleibt jahrzehntelang top secret. Schlimmer noch: wegen seiner Homosexualität wird er in den 50er Jahren verurteilt und in den Suizid getrieben. Erst 2013 wird Turing von der Queen rehabilitiert – und bekommt mit diesem bewegenden Drama ein eindrucksvolles Denkmal, das ohne viel Wahrscheinlichkeitsrechung höchst Oscar-verdächtig ist. Allen voran Hauptdarsteller Benedict Cumberbatch, der scheinbar mühelos eine bravouröse Glanzleistung bietet.   

Webseite: www.theimitationgame-film.de

GB 2014
Regie: Morten Tyldum
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Keira Knightley, Matthew Goode, Mark Strong, Chales Dance
Filmlänge: 114 Minuten
Verleih: DCM
Kinostart: 22. Januar 2015
 

Preise/Auszeichnungen/Pressestimmen:

Publikumspreis Filmfestival Toronto 2014

"Faszinierende Mischung aus Spionagefilm, Zeitdokument und Charakterstudie über den Vordenker des Computers."
KulturSPIEGEL

FILMKRITIK:

Sie war ein Meilenstein der Chiffrier-Technik: Die Enigma-Maschine galt als absolut sicher und unbezwingbar. Für die Nazis der perfekte Weg, die Befehle an die Kriegsmaschinerie zu verschlüsseln. Der britische Geheimdienst versuchte mit allen Mitteln, den geheimen Code zu knacken und engagierte die klügsten Rechen-Köpfe des Landes. Alles vergeblich, bis der exzentrische Student Alan Turing auftritt. Das Bewerbungsgespräch des arroganten Schnösels gerät zum Fiasko, doch weil er extrem talentiert ist, kann man auf ihn nicht verzichten. Turing schert sich so wenig um die Meinung seiner Kollegen als um jene der Vorgesetzten. Als ihm sein Chef, immerhin ein hochdekorierter Commodore, dumm kommt, wendet er sich direkt an Winston Churchill. Und Bingo: Turing wird prompt zum Chef der kleinen Aufklärungstruppe befördert und bekommt 100.000 Pfund, um seine kühn konstruierte Maschine zu bauen, die das Enigma-Geheimnis knacken soll. „Christopher“ tauft er sein ratterndes Wunderwerk, benannt nach jenem Jungen, mit dem ihm in der Schulzeit einst eine besondere Freundschaft verband.   
 
Mit Rückblenden wird erzählt, wie der sensible Außenseiter in der Schule gemobbt wurde. Wie er schon frühzeitig, unterfordert vom Mathematik-Unterreicht, seine Leidenschaft für Codierungs-Systeme entdeckte und seinem einzigen Freund, dem Seelenverwandten Christopher, chiffrierte  Briefchen schrieb. Wie es sich für ein Drama um Verschlüsselung gehört, kommt auch die Dramaturgie als Puzzle daher und wechselt elegant die Zeitebenen. Neben der Rückschau in die Jugendjahre gibt es einen Blick in die Nachkriegszeit, als der Held 1952 von der Polizei wegen seiner sexuellen Orientierung verfolgt und schließlich als Homosexueller verurteilt wird: Zwei Jahre Gefängnis oder eine Hormonbehandlung lautet das menschenverachtende, zu jener Zeit gleichwohl gängige Urteil, Turing entscheidet sich für die chemische Kastration, deren Nebenwirkungen den leidenschaftlichen Sportler immer tiefer in eine Depression taumeln lassen.

Den Fokus legt dieses Quasi-Biopic auf die Tüftel-Arbeit der Code-Knacker in den streng abgeschirmten Baracken von Bletchley Park, die als Radio-Fabrik getarnt sind. Mit unkonventionellen Methoden rekrutiert Turing neue Mitarbeiter, zu denen auch die schlaue Joan Clarke (Keira Knightley) gehört, mit der ihn alsbald eine große Zuneigung verbindet, die in einer Verlobung endet. Trotz aller Mühe bleiben die Erfolge aus, das ganze Projekt steht plötzlich auf der Kippe, im Team herrscht Krisenstimmung – bis ein Flirt im Pub den entscheidenden Gedankenblitz bringt. Des Rätsels Lösung freilich wirft ganz neue Probleme und Gewissensfragen auf.
 
So souverän unsentimental und spannend das Drama erzählt wird, ist dem norwegischen Regisseur Morten Tyldum („Headhunters“) bei seinem englischsprachigen Debüt nicht alles gelungen. So eindrucksvoll die historische Ausstattung ausfällt, bleiben die Spezialeffekte der Kriegsszenen visuell auf TV-Durchschnitt. Der Spezialeffekt Keira Knightley vermag gleichfalls kaum zu überzeugen: Außer dem bekannten Titelblatt-Lächeln wirkt der Star erstaunlich blass, den klugen Kopf nimmt man ihr so wenig ab wie die Gefühle zum schwulen Liebhaber. Umso eindrucksvoller fällt im Vergleich die Leistung von Benedict Cumberbatch aus. Der mit „Sherlock“ zum Kult-Mimen avancierte Brite gibt den genialen Sonderling mit einer charismatischen Lässigkeit und Präzision, die unter die Haut geht. Eine auf den ersten Blick kaum sympathische Figur, einen verhaltensgestörten, überheblichen Kauz derart feinsinnig zu präsentieren, dass er ans Herz geht, ist eine oscarreife Glanzleistung: Der Publikumspreis beim Toronto Filmfestival dürfte dafür der beste Indikator sein.
 
Mit einem vergifteten Apfel brachte sich der wegen seiner Homosexualität verurteilte, zunehmend verzweifelte Kriegsheld ums Leben. Mit großem Pathos entschuldigte sich 2009 Premiereminister Gordon Brown offiziell für das inhumane Verhalten der britischen Justiz. Dass jener angebissene Apfel, der neben dem toten Rechengenie lag, als Vorlage für das berühmte Apple-Logo diente, hat Steve Jobs einst zwar als Legende dementiert und bedauert, nicht auf diese Idee gekommen zu sein. Dass dem Vordenker der Informatik 60 Jahre nach seinem Freitod nun ein imposantes Kinodenkmal gesetzt wird, ist allemal ein später Sieg der Gerechtigkeit.
 
Dieter Oßwald