The Last Expedition

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Der Berg ruft und zwar nicht nur nach Männern. Auch die Polin Wanda Rutkiewicz zog es auf die Gipfel der Welt, im Himalaja gelangen ihr einige spektakuläre Besteigungen von 8000ern, bevor sie 1992 in den Bergen starb. Eliza Kubarska begibt sich in ihrem Dokumentarfilm „The Last Expedition auf die Spuren ihrer Landsfrau und zeichnet ein komplexes Porträt einer Frau, die in einer Männerwelt Erfolg hatte.

The Last Expedition (Wanda Rutkiewicz. Ostatnia wyprawa)
Polen/ Schweiz 2024
Regie: Eliza Kubarska
Buch: Eliza Kubarska & Bartosz Pietras
Dokumentarfilm

Länge: 86 Minuten
Verleih: riseansshine
Kinostart: 30. Januar 2025

FILMKRITIK:

Am 12. Mai 1992 verstarb Wanda Rutkiewicz beim Versuch, den Kangchendzönga zu erklimmen, einen der 14 Berge der Erde mit einer Höhe von über 8000 Metern. Wahrscheinlich starb sie, denn ihre Leiche wurde nie gefunden. Dass sie allerdings tatsächlich überlebte, sich nach Tibet durchschlug und dort in die Anonymität eines Lebens in einem abgelegenen Kloster flüchtete, darf stark bezweifelt werden.
Wenn nun die Filmemacherin und Bergsteigerin Eliza Kubarska diese Möglichkeit in ihrem Film „The Last Expedition“ dennoch mitschwingen lässt, wird deutlich, dass es hier nicht nur um ein nüchternes Porträt einer Frau gehen soll, sondern auch ein wenig um Mythologisierung.
Dabei wäre das gar nicht nötig, denn in Bergsteigerkreisen gilt Wanda Rutkiewicz ohnehin als Legende, in ihrer polnischen Heimat sowieso. Als erste Person ihres Landes bestieg sie 1978 den Mount Everest, 1986 als erste Frau den K2, der als schwerster 8000er überhaupt gilt, 1991 gelang ihr eine Solo-Besteigung des Annapurna, ein weiterer 8000er.
Ein Erfolg, den manche männlichen Kollegen nicht anerkennen wollten. Sie zweifelten an Rutkiewicz Gipfelerfolg, ob aus nachvollziehbaren Gründen oder doch nur aus Sexismus lässt sich über 30 Jahre später nicht mehr sagen. Sie sei eine schwierige Person gewesen sagen manche Männer im Rückblick über Rutkiewicz, Briefe, aus denen im Film zitiert wird, zeichnen ein differenzierteres Bild.
Es erzählt von einer Frau, die von sich selbst sagt, dass sie nur schwer zufriedenzustellen sei und das, was sie hat, oft erst im Nachhinein schätzen kann. Irgendwann Ende der 80er Jahre fasste Rutkiewicz den Plan, sämtliche 14 8000er zu besteigen, was zu diesem Zeitpunkt erst zwei Männern gelungen war. Unter anderem Reinhold Messner, der sich stets als Gegner von Rekordjagden in den Bergen positioniert hat, den Konkurrenzkampf um Erstbesteigungen kritisch sieht, auch wenn er selbst darin verwickelt war.
Auch Messner kommt in „The Last Expedition“ zu Wort, sowie etliche andere Top-Bergsteiger aus den 80er Jahren, dazu Rutkuwiecz Schwester und ihre Managerin. Vor allem aber spricht Rutkuwicz selbst, die durch ihre Erfolge, nicht zuletzt aber dadurch, dass sie diese als Frau errungen hatte, im Polen der 80er Jahre zu einer Berühmtheit wurde.
In Fernsehsendungen sieht sie sich da oft auch herber Kritik ausgesetzt, muss sich für etwas rechtfertigen, was bei ihren männlichen Kollegen eher Bewunderung und Respekt auslöst. Inwieweit all diese Umstände schließlich zu ihrer fatalen Entscheidung beigetragen haben, am 12. Mai 1992 trotz einer Verletzung den Versuch, den Kangchendzönga zu besteigen, nicht abzubrechen muss ein Rätsel bleiben. Ihr damaligen Berg-Partner Carlos Carsolio berichtet nüchtern vom letzten Moment, als er Rutkuwiecz beim eigenen Abstieg vom Gipfel überreden wollte, umzukehren. Aussicht auf Erfolg habe dies nicht versprochen, Rutkuwicz habe gewusst was sie riskiere und er habe weder die physische noch die moralische Kraft gehabt, sie vom Gegenteil zu überzeugen: Mit den Worten „Alle Versuche meine Unabhängigkeit einzugrenzen, betrachte ich als Aggression, auf die ich mit Sturheit reagiere, anstatt mich zu beugen“ hat Rutkuwicz sich einmal beschrieben, als Frau in einer patriarchalischen Welt wird sie es in den 80er Jahren daher besonders schwer gehabt haben. Durch Eliza Kubarskas Dokumentarfilm mag Wanda Rutkuwicz nun als Inspiration für spätere Generationen dienen.

Michael Meyns