The Love Police

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Mit Megaphon und Umarmungen gegen den Kapitalismus. Das ist das Ziel von Charlie Veitch, einem ehemaligen Banker, der sich nun als Anarchist in London rumtreibt und immer dort auftaucht, wo G8, G20 etc. die Geschicke der Welt lenken. In seiner Dokumentation „The Love Police“ porträtiert der deutsche Regisseur Harold Baer den Aktivisten.

Webseite: www.realfictionfilme.de

Deutschland 2013 - Dokumentation
Regie: Harold Baer
Buch: Charles Veitch, Harold Baer
Länge: 90 Minuten
Verleih: Real Fiction Filmverleih
Kinostart: 28. November 2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Mit wohldurchdachten Argumenten lässt sich heutzutage kaum noch Aufmerksamkeit erlangen. Dass dachte sich wohl auch Charlie Veitch, als er 2009 seinen Job als Finanzberater verlor und beschloss, sich zukünftig für eine gerechtere Welt einzusetzen. Mit einem Megaphon bewaffnet stellte er sich fortan auf die Straßen Londons und forderte vorbeilaufende Passanten auf, sich aktiv mit den Folgen des globalen Kapitalismus auseinanderzusetzen.

Bald traf er auf Danny Shine, einen Bruder im Geiste, und zusammen formten sie das Kollektiv The Love Police, dass die herkömmliche Form des Protests umkehrte: Statt gegen etwas zu agitieren, wurden Plakate mit Aufschriften wie „Alles ist Okay“ oder „Wir unterstützen die Regierung“ hochgehalten, um auf subversive Art das gleichförmige, unkritische Denken allzu vieler Menschen zu hinterfragen.

Mit Shine kam es bald zum Bruch, da Veitch mit zunehmender Aggressivität vorging und seine Proteste zu zahlreichen Verhaftungen führten. Beim Weltwirtschaftsgipfel im kanadischen Toronto landet Veitch ebenso kurzzeitig in Untersuchungshaft, wie vor der Hochzeit des britischen Thronfolgers, als er nicht etwa wegen schon ausgeführter Aktionen in Gewahrsam genommen wird, sondern wegen des bloßen Plans zu agitieren.
Ob Charlie Veitchs Aktionen irgendetwas bewirken? Angesichts der minimalen Reichweite seiner Agitation darf man das bezweifeln. Kaum eines seiner zahllosen you-tube-Videos hat mehr als 15.000 Klicks, sein Twitter-Account wird von weniger als 1700 Menschen verfolgt und auch Harold Baers Dokumentation weiß nicht allzu viel über seinen Protagonisten zu erzählen. Weder Beweggründe für seinen Wandel vom Finanzberater zum Aktivisten, noch seine Ziele werden deutlich. In kruden Videoaufnahmen sieht man Veitch durch die Straßen von London ziehen, die dort bekanntermaßen omnipräsenten Überwachungskameras anprangernd, doch eine Haltung zu seinem Subjekt entwickelt der Film nicht.

Lose sind die Stationen von Veitch Leben als selbsternannter Anarchist und Agitator aneinandergereiht, die sich an den für kurze Zeit in den Nachrichten präsenten Ereignissen der Globalisierungskritik orientieren: Proteste in London, dann der Weltwirtschaftsgipfel in Toronto, schließlich die Occupy-Bewegung. In Veitchs Fall kommt noch seine Abwendung von den so genannten „Truthers“ hinzu, eine Gruppe von Verschwörungstheoretikern, die trotz allem an dem Glauben festhalten, dass der Anschlag vom elften September ein von der amerikanischen Regierung durchgeführter Inside Job gewesen sei.

Stoff für ein nachdenkliches Porträt eines Aktivisten wäre genug vorhanden, für einen Film, der zeigt was passieren kann, wenn Engagement auf die Realität trifft, wenn Idealismus an seine Grenzen stößt. Doch um diese Aspekte stärker zu akzentuieren, hätte es einer kritischen Haltung bedarft, die Harold Baer nicht aufbringen kann oder will. So ist „The Love Police“ das Porträt eines Aktivisten, das über die bloße Beschreibung seines Subjekts nicht hinausgeht.

Michael Meyns