The Negotiator

Welche Auswirkungen ein überflüssiger Twist auf einen Film haben kann, zeigt der Thriller „The Negotiator“ sehr deutlich: Was lange Zeit spannend und unterhaltsam ist, bekommt im letzten Drittel einen faden Beigeschmack. Trotz einer starken Darbietung von Riz Ahmed in der Hauptrolle und einer dynamischen Inszenierung bleibt der Verschwörungsstreifen unter seinen Möglichkeiten.

 

Über den Film

Originaltitel

Relay

Deutscher Titel

The Negotiator

Produktionsland

USA

Filmdauer

112 min

Produktionsjahr

2025

Regisseur

Mackenzie, David

Verleih

Leonine Distribution GmbH

Starttermin

25.09.2025

 

Erfrischend originell ist an „The Negotiator“ vor allem die auf vollständige Anonymität abzielende Arbeitsweise des Protagonisten. Ash (Ahmed) hat sich darauf spezialisiert, Menschen unter die Arme zu greifen, die auf illegale Firmenpraktiken gestoßen sind, diese aus Angst allerdings nicht publik machen wollen. Für die verhinderten Whistleblower tritt er mit den betreffenden Konzernen in Kontakt und handelt Schweigegelder aus. Eine Kopie des belastenden Materials, das er von seinen Klienten erhält, versteckt er nach dem Deal in einem Lagerhaus, um für die Zukunft ein Druckmittel in der Hinterhand zu haben und die Sicherheit seiner Kunden gewährleisten zu können.

Das Besondere an seinem Vorgehen: Weder seine Auftraggeber noch die Unternehmer oder deren Vertreter bekommen Ash zu Gesicht. Jeglicher Austausch läuft über den Tri-State-Relay-Dienst (deshalb heißt der Film im Original auch schlicht „Relay“) ab, ein Angebot, das Hörgeschädigte bei der Telekommunikation unterstützen soll. Alle Nachrichten tippt der auf Diskretion bedachte Mittelsmann in ein Schreibtelefon ein, und anschließend werden diese dem Empfänger von einem Telefonisten vorgelesen. Genauso arbeitet Ash auch, als er den Fall der Wissenschaftlern Sarah (Lily James) annimmt, die von einer großen Vertuschungsaktion in einem Biotech-Konzern berichtet. Während er sich um die bereits durch ein Überwachungsteam (unter anderem besetzt mit Sam Worthington) massiv eingeschüchterte junge Frau kümmert, muss er sein sonst so rigoroses Regelwerk aufbrechen – mit fatalen Konsequenzen.

„The Negotiator“ erinnert an die Paranoia-Thriller der New-Hollywood-Ära aus den 1970er-Jahren. Filme wie Francis Ford Coppolas „Der Dialog“, in dem Gene Hackman einen ganz in seiner Arbeit aufgehenden Abhörexperten verkörpert. Auch Ash ist ein hochakribischer professional, dessen berufliche Tätigkeit Regisseur David Mackenzie („Hell or High Water“) ausgiebig und präzise dokumentiert. Jeder Schritt ist wohlüberlegt, jedes Manöver bestens erprobt. Hinter der Fassade dieses einsamen Großstadtwolfes – Schauplatz ist New York – bringt Riz Ahmed in einer nuancierten Performance aber auch einen Menschen mit Zweifeln, schmerzhaften Erfahrungen und Brüchen in seiner Vita zum Vorschein. So hat es beispielsweise seinen Grund, dass Ash, natürlich unter falschem Namen, an den Treffen der Anonymen Alkoholiker teilnimmt.

Nicht nur die Hauptfigur zieht in den Bann. Immer wieder packt der Film auch mit stark inszenierten und wirkungsvoll montierten Verfolgungs- und Belauerungssequenzen – etwa in einem Flughafen oder vor einem Zeitungsstand im belebten Zentrum des Big Apples. Auch wenn die Spannung nicht durchgehend auf einem Level bleibt, trägt das Katz-und-Maus-Spiel bis zum letzten Akt – wo sich „The Negotiator“ dann allerdings verstolpert.

Ein ausgelutschtes Thriller- und Krimiklischee wird doch noch bedient. Einige Drehbuchschlenker geraten schlampig, wirken forciert. Und am meisten stört der große Clou, auf den der Film zusteuert. Eine unnötige Wendung, die noch dazu weniger verblüffend ist, als es die Macher gerne hätten. Bestätigung findet hier auf jeden Fall eine alte Hollywood-Regel: Alles, was gesagt und gezeigt wird, hat irgendwann noch eine Bedeutung für die Handlung. Auch die Besetzung einer kleinen Nebenrolle, der höchstens zwei Minuten Leinwandzeit zukommen, mit einem gar nicht mal so unbekannten Gesicht weist in Richtung des finalen Twists.

 

Christopher Diekhaus

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