The Sessions – Wenn Worte berühren

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„The Sessions“, der große Publikumserfolg auf dem diesjährigen Sundance-Festival ist eine warmherzige, lebensbejahende Geschichte über einen Mann, der sein leben in einer Eisernen Lunge verbringen musste. Doch diese Einschränkung hielt Mark O’Brien nicht davon ab zu studieren, als Journalist zu arbeiten und – wie Ben Lewin in seinem Film beschreibt – Sex zu haben.

Webseite: www.fox.de

The Sessions
USA 2012
Regie, Buch: Ben Lewin
Darsteller: John Hawkes, Helen Hunt, Willaim H. Macy, Moon Bloodgood, Annika Marks, Blake Lindsley
Länge: 95 Minuten
Verleih: Fox
Kinostart: 3. Januar 2013

PRESSESTIMMEN:

Von Hohn Hawkes und der Oscar-Preisträgerin Helen Hunt wunderbar glaubwürdig gespielt. Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte, die verstörend wirkt und umso mehr ans Herz geht.
STERN

FILMKRITIK:

Es ist eine dieser Geschichten, die nur das Leben schreiben kann, denn als Fiktion würde sie viel zu unglaubwürdig wirken. Als Kind erkrankte der in Kalifornien aufwachsende Mark O’Brien an Polio, überlebte zwar, musste den Rest seines Lebens aber größtenteils in einer Eisernen Lunge verbringen. Ein lebensrettendes Gerät zwar, das per Unterdruck das Atmen erleichtert, aber den Patientin vom Hals abwärts einschließt. Ein normales Leben scheint unter diesen Umständen kaum möglich, zumal durch das fast konstante Liegen die motorischen Funktionen zunehmend schwer fallen. Mark O’Brien schaffte es dennoch zu studieren, fuhr auf einer motorisierten Liege in Hörsäle und machte an der Universität von Berkeley seinen Abschluss in Journalismus. Als solcher arbeitete er lange Jahre, schreib darüber hinaus Gedichte, die er teilweise diktierte, später auf einer elektrischen Schreibmaschine schrieb, die er mit einem Stock im Mund mühselig bediente.

Aus der journalistischen Arbeit heraus entstand die Recherche, die zu den Ereignissen führte, die dieser Film beschreibt, das Thema: Sex. Genauer gesagt: Sex bei Behinderten. O’Brien recherchierte zum Thema, traf mehr oder weniger schwer Behinderte, die auf diese oder jene Weise Sex hatten. Und so erwachte im zu diesem Zeitpunkt 36jährigen O’Brien der Wunsch, es selbst einmal zu versuchen.

So beginnt Ben Lewins Film, der zunächst Mark O’Briens (John Hawkes) schwierigen Alltag beschreibt, der nur durch die Hilfe wechselnder Assistentinnen möglich ist. Mit Hilfe seiner neuen Assistentin Vera (Moon Bloodgood) und vor allem seinem katholischen Priester (William H. Macy) lotet Mark die Möglichkeiten aus: Mit einer Frau Sex zu haben, die ihn liebt scheint unerreichbar, doch für Sex zu bezahlen wäre für den streng gläubigen Mark eine Sünde. Doch die Umstände lassen den entspannten, geradezu liberalen Priester – langhaarig und einem Bier nie abgeneigt – den entscheidenden Satz sagen: „Mach es einfach.“ Mit dieser Weihe beginnt Mark also seine „Sessions“, seine Sitzungen mit der Sexualtherapeutin Cheryl (Helen Hunt), die betont, dass ihre Arbeit keine Prostitution ist. Das Ziel der Sitzungen besteht darin, einem Mann wie Mark, der bislang noch keinerlei Erfahrung mit seinem Körper hatte – als strenger Katholik war selbst Onanie selbstverständlich tabu – langsam in die Sexualität einzuführen. Sechs Sitzungen haben sie dafür zur Verfügung, mehr würde die Gefahr einer zu großen emotionalen Nähe bergen.

Mit einer guten Mischung aus Komik und Ernsthaftigkeit umschifft Autor und Regisseur Ben Lewin die mögliche Peinlichkeit dieser langen, ruhig erzählten Sitzungen. So unerotisch sie auch wirken – bei Tageslicht, in einem fremden Haus, später einem Motel trifft man sich – bald entsteht zwischen dem zunächst übernervösem Mark und der selbstsicheren Therapeutin eine Nähe, die auch Cheryls Ehe belastet. Dass diese Geschichte, die Mark O’Brien in einem langen Artikel mit dem Titel „On Seeing a Sex Surrogate“ verarbeitet hat, nicht zu sehr ins sentimentale, kitschige abdriftet, liegt in erster Linie an den beiden Hauptdarstellern. Besonders John Hawkes, der in dieser Rolle kaum mehr als sein Gesicht und seine Stimme zur Verfügung hat, macht aus seiner Figur einen komplexen Charakter. Er verhehlt nicht die weniger angenehmen Aspekte, das sarkastische, bisweilen zynische Wesen Marks, vor allem aber seinen inspirierenden Geist, seinen Lebenswillen, seinen Humor. All das macht „The Sessions“ zu einem warmherzigen, lebensbejahenden Film ganz in der Tradition von „Ziemlich beste Freunde“.

Michael Meyns