1975 drehte der Dokumentarist James Benning schon einmal einen Film mit dem Titel „The United States of America“: Der halbstündige Roadtrip zeigte die USA durch die Windschutzscheibe eines Autos. Bennings aktueller Essay gleichen Titels hat eine nicht minder reduzierte Form: 52 statische Aufnahmen porträtieren die Bundesstaaten der USA. Die Auswahl wirft Fragen auf – und eine schalkhafte Pointe alles über den Haufen. Seine Uraufführung erfuhr der experimentelle Film im Forum der Berlinale 2022.
Webseite: www.arsenal-berlin.de
USA 2022
Regie, Kamera, Schnitt & Produktion: James Benning
Laufzeit: 98 Min.
Verleih: Arsenal Filmverleih
Kinostart: 26. Mai 2022
Webseite: www.arsenal-berlin.de
USA 2022
Regie, Kamera, Schnitt & Produktion: James Benning
Laufzeit: 98 Min.
Verleih: Arsenal Filmverleih
Kinostart: 26. Mai 2022
Über den Film
Originaltitel
The United States Of America
Deutscher Titel
The United States Of America
Produktionsland
USA
Filmdauer
98 min
Produktionsjahr
2022
Regisseur
Benning, James
Verleih
Starttermin
25.05.2022
FILMKRITIK:
Karges Land in Alabama: Holzpfähle, weit hinten Häuser, rechts ein Sendemast, aus der Ferne hallt Musik. Ein stilles Bergpanorama in Alaska: Wolken am Abendhimmel. Wechsel nach Arizona: Ein trockenes Flussbett zwischen Felsen, weit weg Motorengeräusch. Auf diese ersten statischen Einstellungen aus „The United States of America“ folgen weitere akribisch komponierte Aufnahmen.
James Benning arrangiert ein strikt montiertes Porträt der Vereinigten Staaten von Amerika: 52 unbewegte Ansichten, eine zu jedem US-Bundesstaat zuzüglich der Sonderfälle Puerto Rico und District of Columbia. In alphabetischer Reihung nennt weiße Schrift auf Schwarz die Orte von Alabama bis Wyoming. Die Impressionen dazu stehen jeweils rund zwei Minuten. Viele zeigen die Natur: Sonnenblumen, Schneetreiben, Pferde. Andere die Zivilisation: ein Denkmal, eine Brücke, Silos. Manche Motive wiederholen sich, etwa der Himmel: mal klar, mal bewölkt, als Ausschnitt oder bildfüllend. Straßen und Strommasten kommen häufiger vor, Menschen nur ganz am Rand. Die meisten Bilder sind Stillleben, gelegentlich tut sich was: Stockcars rasen an der Kamera vorbei, Nebel lichtet sich.
Die gleichförmige Folge aus Ortsangaben und Ansichten drängt zur kontemplativen Bildbetrachtung. Die Text-Bild-Informationen wollen gedeutet werden. Umzäunt der Stacheldraht ein Gefängnis oder eine Militäreinrichtung? Weshalb repräsentiert eine US-Flagge Connecticut, ein Yachthafen Florida, ein Windpark Kansas? Viel bleibt offen, weniges ist klar gesellschaftskritisch: In Kalifornien zelten Obdachlose und zu Mississippi zeigt Benning ein Baumwollfeld, im Radio spricht Stokely Carmichael über Rassismus.
Mit dem Dokumentar-Essay „The United States of America“ liefert James Benning das streng formalisierte Gerüst für eine vielschichtige Rezeption. Die Komposition stößt einen Prozess an, den Benning am Ende in einen neuen Bezugsrahmen setzt. Plötzlich steht das Bild, das man sich von Amerika gemacht hat, wieder in Frage. Das Land ist ebenso „under construction“ wie seine fragile Deutung.
Christian Horn