An Oskar Roehler scheiden sich traditionell gerne die Geister: Schillernd schräge Genialität oder kauzig kruder Kino-Kasper? Reine Geschmacksache! Des Oskars jüngster Streich erzählt aus dem Leben eines tapsigen Taugenichts aus der Provinz, der im West-Berlin der 80er Jahre ein bisschen verrückte Verruchtheit als Punk probiert. Tom Schilling gibt den jungen Wilden mit „Taxi Driver“-Irokesen-Schnitt samt bewährtem „Oh Boy“-Charme. Mit massivem Mutter-Trauma stolperte er durch verrauchte Peep-Shows und verkokste Szene-Läden. Verliebt sich in eine Stripperin, beklaut den versoffenen Vater, begegnet Blixa Bargeld oder Fassbinder im Schwulen-Club. Die schrille Zeitgeist-Revue eines fabulierfreudigen, vergnügt verspielten Regie-Clowns. An Oskar Roehler scheiden sich die Geister...
Webseite: www.eslebederpunk.x-verleih.de
D 2014
Regie und Drehbuch: Oskar Roehler
Darsteller: Tom Schilling, Emilia Schüle, Frederick Lau, Hannelore Hoger, Samuel Finzi, Alexander Scheer
Filmlänge: 94 Minuten
Verleih: X Verleih
Kinostart: 26. 3. 2015
FILMKRITIK:
„Fuck Off“ - „Fuck selber off, Arschloch!“. Die aparten Eröffnungsdialoge geben schon gleich einmal den Ton vor. Das Verhältnis von Robert (Tom Schilling) und seinem Kumpel Gries (Frederick Lau) ist hart, aber herzlich. Vereint sind sie in ihrer Abneigungen gegen die Hippies, die das Leben an ihrer Schule zunehmend dominieren. Politisch gibt es Differenzen. „Warum bist du eigentlich so rechts?“ fragt Robert seinen trinkfreudigen Freund, der mit zunehmender Promille lautstark Nazi-Parolen skandiert und kleinlaut sein verklemmtes Schwulsein auslebt. Das eigene Sexualleben befriedigt den Helden derweil kaum, als seine Freundin mit biederer Familienplanung und Spirale droht, macht Robert spontan Schluss: Nicht nur mit der Freundin, sondern gleich mit dem ganzen bisherigen Leben in der muffigen Provinz. Mit frisch rasiertem Irokesen-Schnitt flieht er nach West-Berlin und träumt vom wilden Leben, das zunächst eher arm als sexy ausfällt. Sein Kumpel Schwarz (Wilson Gonzalez-Ochsenknecht) verschafft ihm einen Putzjob in seiner Peep-Show. Dort trifft Robert nicht nur auf Blixa Bargeld und Nick Cave, sondern verliebt sich in die amerikanische Stripperin Sanja, die er mit Schweinebraten vom Imbiss betört. Der frischgebackene Punk wird freilich immer wieder vom Trauma seiner lieblosen Eltern eingeholt. Die chronisch versoffene Mama (herrlich abgetakelt: Hannelore Hoger) verlangt, dass er den eigenen Onkel ermordet. Der gleichfalls schwer pichelnde Papa (nicht minder überkandidelt: Samuel Finzi) hängt sentimental seinen RAF-Zeiten nach. Als deren einstiger Kassenwart hütet er noch immer ein kleines Vermögen in seiner Wohnung - für Robert und seine Freunde der verlockende Grundstock für ihren geplanten Drogenhandel.
So chaotisch die schräge Story klingt, so kunterbunt kommt sie als schillernde Zeitgeist-Revue daher. Wie üblich macht Roehler sich seine Welt, widdewidde wie sie ihm gefällt. In seinem Kaleidoskop purzeln die Figuren fröhlich durcheinander, scheuen keine noch so kruden Dialoge derweil die Bilder munter von Farbe zu Schwarz-Weiß wechseln. Wer auf diesem cineastischen Abenteuerspielplatz nach Logik und Plausibilität verlangt, sitzt hier im sprichwörtlich falschen Film. Freunde des etwas durchgedrehteren Humors finden bei dieser grob gestrickten Groteske mit überspitztem Slapstick-Einlagen eine erfrischende Amüsier-Alternative jenseits der konventionellen Komödien-Ware: Kompromissloser Premium-Trash sozusagen, was dem Thema ja durchaus angemessen ist.
Wem Roehler-Pointen zu roh sind („Arschficken für alle“), wird, wie gewohnt, mit überzeugenden Darstellern entschädigt. Frederick Lau gibt den verzweifelten Kotzbrocken mit bewährter Coolness. Hoger und Finzi hauen sichtlich amüsiert auf den Putz. Derweil Tom Schilling in diesem bereits dritten Streich mit Roehler mit brillanter Unaufdringlichkeit beweist, welche Star-Qualitäten er besitzt: Oskar-reife Leistung!
Dieter Oßwald