Der Tod steht ihm gut, dem Kino. Das hat „Sterben“ gerade eindrucksvoll mit Preis-Prasseln unter Beweis gestellt. Wenn das vermeintliche Tabu-Thema bei aller Nachdenklichkeit nun mit leichtfüßigem Humor daherkommt, ist der Grundstein für eine publikumswirksame Komödie gelegt. Liebenswert resolute Figuren, ein exzellentes Schauspiel-Duo sowie reichlich smarte Situationskomik sorgen für ein Road Movie der bewegenden Art, das stets die richtige Tonalität zu treffen weiß. Wenn die coolen Ladies auf dem Weg in die Schweizer Sterbeklinik von einer Polizei-Armada verfolgt werden, liegt bisweilen gar ein würdiger Hauch von „Thelma & Louise“ in der Luft.
Webseite: http://www.alpenrepublik.eu/
Österreich 2024
Regie und Drehbuch: Sebine Hiebler, Gerhard Ertl
Darsteller: Christine Ostermayer, Margarethe Tiesel
Filmlänge: 93 Minuten
Verleih: Alpenrepublik
Kinostart: Herbst 2024
FILMKRITIK:
Mit viel Tatüü-Tataa wird ein Auto durch die Innenstadt von Zürich verfolgt. Als aus dem gestellten Fahrzeug zwei reizende Seniorinnen steigen, staunt die Staatsmacht nicht schlecht. Das Publikum dürfte gleichfalls verblüfft sein von dieser Ouvertüre zu einem Film über den Tod - und das Leben. Genauer gesagt geht es um den selbstbestimmten Tod, den Helene (Christine Ostermayer), jene einst gefeierte Theaterdiva, sich wünscht. Mit weit über 80 und der Diagnose Krebs will sie sich alles weitere Leid ersparen. In der Schweiz hat Helene bereits einen Termin in einer Sterbeklinik organisiert. Nur mit der Anreise gibt es Probleme, schließlich hat Madame keinen Führerschein. Der Neffe verweigert jede Hilfe als Chauffeur für die letzte Reise, als konservativen Politiker muss er schließlich auf seine Karriere achten. Dafür bringt das Schicksal unerwartet Toni (Margarethe Tiesel) ins Spiel. Die Frührentnerin muss sich nach einem Sturz vorübergehend in der Seniorenresidenz erholen. Die anfängliche Abneigung der ungleichen Zimmernachbarn weicht bald einer ziemlich besten Freundschaft. Bald sitzt das ungleiche Damen-Duo im stattlichen Oldtimer und fährt gen Schweiz - dass Toni gleichfalls die Fahrerlaubnis fehlt, bleibt ihr kleines Geheimnis. Zunächst jedenfalls…
Wie es sich für ein Road Movie gehört, wird der Weg zum Ziel, auf dem sich die höchst unterschiedlichen Reisenden zunehmend näher kommen. Zunächst frotzelt man ein wenig: „Schön hier!“. - „Sie wissen doch gar nicht, wo wir sind!“. „Trotzdem schön hier!“. Wenig später macht man kichernd gemeinsame Sache an der Zapfsäule: „Wir müssen noch zahlen.“ - „Wir sind alt. Da vergisst man schon mal etwas!“. Mit geschliffenen Dialogen kann diese Komödie kontinuierlich gut punkten. Ob als flapsige Pointe à la „Mama, der Papa hat Scheiße gesagt.“. Ob als fröhliche Altersweisheit à la „Sie sind nicht dement. Sie sind einfach nur 86“. Oder als bewegende Lebensbilanz: „Im Film haben die Leute irgendwann angefangen, in mir nicht mehr die Schauspielerin gesehen, sonder nur noch die alte Frau. Alt und krank. Alt und dement. Alt und sterbend. Das war nur noch krank und alt sein.“
Die kurzweilige Dramaturgie gelingt nicht zuletzt wegen der beiden Hauptfiguren, die bei all ihrer amüsanten Schrulligkeit immer psychologisch plausibel bleiben und deren Liebenswürdigkeit für hohe Empathie-Werte sorgt. Mit erstaunlicher Leichtigkeit geht durchaus ans Eingemachte, an Themen von existenzieller Bedeutung: Alter. Würde. Freitod. Sterbehilfe.
Dem vielfach preisgekrönten Schauspiel-Duo Christine Ostermayer (87) und Margarethe Tiesel (65) ist der Spaß an diesem Stoff und ihren Figuren sichtlich anzumerken. Mit souveräner Gelassenheit spielt man sich die Pointen-Bälle zu. Auch wenn es melodramatisch wird, stimmt jede Tonalität bei diesen großartigen Actricen.
„Man bereut im Leben nur das, was man nicht gemacht hat“, heißt es im Film einmal. Für den Kinobesuch gilt das hier gleichermaßen.
Dieter Oßwald