Union fürs Leben

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Ein Dokumentarfilm über Fußball ohne Fußball: In „Union fürs Leben“ nehmen Frank Marten Pfeiffer und Rouven Rech nicht den Verein Union Berlin, sondern seine Fans ins Visier, begleiten stellvertretend vier passionierte Anhänger und überlassen es ihnen, von der Bedeutung des Berliner Zweitligisten zu erzählen. Das Ergebnis ist ein Film für Unionfans über Unionfans.  

Webseite: www.unionfuersleben.de

Deutschland, 2014
Regie: Frank Marten Pfeiffer, Rouven Rech
Filmlänge: 98 min.
Verleih: Weltkino
Kinostart: 3. April 2014

FILMKRITIK:

Was dem US-Amerikaner der American Football und dem Inder das Cricket, das ist dem Deutschen der Fußball. Dabei sind Fanclubs in der Regel viel mehr als nur eine Ansammlung sportinteressierter Menschen und nehmen nicht selten die Rolle einer erweiterten Familie ein. Für den Berliner Zweitligisten Union gilt dies im Besonderen, war der Verein zu DDR Zeiten doch auch eine Interessengemeinschaft für solche, die dem politischen System eher kritisch gegenüberstanden. In ihrem Dokumentarfilm „Union fürs Leben“ untersuchen die Regisseure Frank Marten Pfeiffer und Rouven Rech, welche Rolle Union Berlin damals wie heute für seine Anhänger spielt. Bewusst bewegen sich die Filmemacher weg von der konkreten Spielsituation und begleiten vier Fans und einen Spieler durch ihren Alltag.

Ein Sozialarbeiter, ein CDU-Politiker und ein Schauspieler – das sind die Menschen, die im Zentrum des Dokumentarfilms stehen. Der eine schon immer rebellisch, der andere systemtreu, hat jeder seinen ganz individuellen Weg zur Union gefunden. Für die Kamera berichten die Männer aber nicht nur von der Beziehung zu ihrem geliebten Fußballverein, sondern gewähren auch Einblicke in ihren beruflichen Alltag und ihre Vergangenheit. Sozialarbeiter Stefan Schützler führt dabei mit seinem Schützling Alexander einen weiteren Fan in das Filmkonzept ein, dem Pfeiffer und Rech überproportional viel Aufmerksamkeit schenken. Die Familiensituation des jungen Mannes entwickelt sich durch ihre Dramatik durchaus zu einem Fokus des Gesamtkonzepts, ohne dass jedoch Alexanders Bezug zum eigentlichen Thema des Films, dem Fußballverein Union Berlin, verhandelt würde. So bleibt unklar, weshalb die Regisseure der Figur diese zentrale Position einräumen.

Die Figur des Alexander ist paradigmatisch für ein konzeptuelles Problem des Dokumentarfilms. Pfeiffer und Rech verzichten bewusst auf einen historischen Abriss des Vereins, erwähnen Randdaten wie die große Pleite und den Wiederaufbau durch die Fans nur am Rande. Während sie die Protagonisten auf der Tribüne und Spieler Christopher Quiring während des Trainings zeigen, lassen sie die Fußballwettkämpfe größtenteils außen vor. Im Grunde machen die Filmemacher schon mit der Eingangssequenz, die das alljährliche Weihnachtssingen des Vereins im Stadion zeigt, deutlich, dass es ihnen nicht um den Sport selbst, sondern um die menschliche Ebene des Phänomens Union Berlin geht. Leider finden Pfeiffer und Rech hierfür kein schlüssiges Konzept. Die Zusammenstellung der Protagonisten wirkt beliebig, ihre sehr unterschiedlich starke Präsenz im Film bleibt ohne Erklärung. Über Christoph Quiring erfährt der Zuschauer kaum persönliche Details, während Sorgenkind Alexander nahezu bloßgestellt wird, ohne jedoch durch eine Interviewsituation als Protagonist eingeführt worden zu sein. Völlig vernachlässigt werden die weiblichen Fans, die als sprachlose und anonyme Begleiterinnen der Männer in den Hintergrund treten.

Im Kern besteht „Union fürs Leben“ aus unterschiedlich facettenreichen Portraits vierer Männer, die durch ihre Fankultur miteinander verbunden sind und über ihr Leben, ihren Verein und die Ost-West-Problematik philosophieren. Dabei kommen durchaus interessante Themen zur Sprache, wie die schon erwähnte Bedeutung des Vereins innerhalb der DDR und die ostalgische Komponente der Fankultur. Negative Aspekte werden gegenüber der Betonung von Solidarität und Familiensinn unter den Fans dabei vernachlässigt.

Abschließend drängt sich die große Frage nach dem Publikum für diesen Dokumentarfilm auf. Dem themenfremden Zuschauer werden zwar ohne Frage Einblicke in die Welt einer besonderen Fußballfankultur gewährt, doch fehlt hier der Blick auf den Verein selbst, um ein vollständiges Bild des Phänomens Union Berlin entstehen zu lassen. So bleibt „Union fürs Leben“ wohl ein Film für die Fans, die in den Erzählungen der Protagonisten ihre eigene Leidenschaft wiedererkennen und feiern können.
 
Sophie Charlotte Rieger