Unsere Wildnis

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Nach dem Ende der letzten Eiszeit in Europa kehrten mit den Jahreszeiten auch gigantische Wälder zurück. Nahezu 90 Prozent des Kontinents waren von Bäumen bedeckt. Ein Lebensraum für eine vielfältige Flora und Fauna entstand. Die französischen Filmemacher Jacques Perrin und Jacques Cluzaud („Nomaden der Lüfte“) erwecken mit grandiosen Naturaufnahmen dieses Goldene Zeitalter der Wälder auf der Kinoleinwand zu neuem Leben. Die Empathie für unberührte Naturlandschaften, die ihre Ode an die Wilden Wälder entfacht, steht der kritische Blick auf die Rolle der Menschen gegenüber, die mit der Unterjochung der Natur eine Jahrtausende alte friedliche Koexistenz beendet haben.

Webseite: www.unsere-wildnis.de

Frankreich/Deutschland 2015 - Dokumentation
Regie, Buch: Jacques Perrin und Jacques Cluzaud
Länge: 95 Minuten
Verleih: Universum Film, Vertrieb: 24 Bilder Filmagentur
Kinostart: 10. März 2016
 

FILMKRITIK:

Etwa eine Million Jahre lang hatte das Eis Europa in seinem kalten Griff, bis vor ca. 15.000 Jahre eine Klimaerwärmung eintrat und mit ihr auch die Jahreszeiten wieder Einzug hielten. Der Wechsel zwischen Frühling, Sommer, Herbst und Winter brachte eine ungeheure Vielfalt in der Tier- und Pflanzenwelt mit sich. Seit diesem Zeitpunkt lebt die heimische Flora und Fauna im Rhythmus des Jahres. In ihrer neuen Naturdokumentation „Unsere Wildnis“ (OT „Les Saisons“) begeben sich die französischen Filmemacher Jacques Perrin und Jacques Cluzaud  („Unsere Ozeane“) auf eine Entdeckungsreise durch die Zeit. Dabei nehmen die Filmemacher den Blickwinkel der Tiere ein, die damals, im „Goldenen Zeitalter der Wälder“, das Leben bestimmen, während der Mensch als Jäger und Sammler über Jahrtausende in friedlicher Koexistenz einen Randstatus einnimmt.

Mit gewohnt hohem technischen Aufwand fangen die Kameras mit Hilfe von Drohnen und Hochgeschwindigkeits-Rollern grandiose Bilder von Tieren ein, die damals noch unbedrängt den Kontinent bevölkerten. Wildpferde jagen im vollem Galopp durch die Wälder, Wölfe begeben sich im Rudel auf die Jagd und Wildschweine streunen mit grimmigen Grunzen durch das dichte Unterholz. Die Wildnis wird aber auch zum Schauplatz spektakulärer Kämpfe um die tägliche Nahrung und die Rangordnung in den Herden. So rasen Gämse im halsbrecherischem Tempo durchs Hochgebirge, wenn es darum geht, einen Rivalen in die Flucht zu schlagen.

Gedreht wurde in unterschiedlichen Regionen und Nationalparks in ganz Europa. Dass es sich dabei auch um inszenierte Szenen handelt, versteht sich aus dem Kontext, eine Zeitreise zu unternehmen, von selbst und wird dem Zuschauer spätestens in dem Augenblick klar, wenn im Film die ersten Steinzeitmenschen auftauchen. Der Kommentar, im Deutschen gesprochen von Schauspieler Sebastian Koch, nimmt im Laufe des Filmes einen zunehmend mahnenden Tonfall an. Spätestens, wenn auf der voranschreitenden Zeitreise bis in die Gegenwart der Wald und seine Bewohner immer mehr vor dem sesshaft gewordenen Mensch weichen müssen, hebt sich der pädagogische Zeigefinger etwas zu beflissen. Die Umwelt-Botschaften am Schluss hätte es nicht unbedingt gebraucht, denn die erklärte Absicht der Filmemacher, den Zuschauer in eine zeitlose, magische Naturerfahrung eintauchen zu lassen, wurde über weite Strecken des Filmes glänzend eingelöst.
 
Norbert Raffelsiefen