Unter dir die Stadt

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Spannend kühl inszeniert Christoph Hochhäusler die Affäre eines Frankfurter Bankers mit der Frau eines Angestellten in „Unter dir die Stadt“. Aus einer zufälligen Begegnung wird ein Beziehungs- und Machtkampf mit überraschenden Verhältnissen. Der Cannes-Starter der Kölner „Heimatfilm“ ist kluges Kopfkino und vermittelt in einem überzeugenden ästhetischen Konzept die Skrupellosigkeit abgehobener Machtmenschen auch emotional.

Webseite: www.unterdirdiestadt.de

Frankreich, Deutschland 2010
Regie: Christoph Hochhäusler
Darsteller: Robert Hunger-Buhler, Nicolette Krebitz, Mark Waschke
Laufzeit: 105 Min.
Verleiher: Piffl Medien
Kinostart: 31.3.2011
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Es scheint eine klassische Affäre zu werden: Die unkonventionelle Kreative Svenja Steve (Nicolette Krebitz) landet mit dem neuen Job ihres Freundes Oliver im Frankfurter Bankenmilieu. Ihre Nikotinsucht führt zu einer zufälligen Begegnung mit Olivers Chef Roland Cordes (Robert Hunger-Bühler). Der Banker des Jahres will eine Affäre und befördert den Mann deshalb auf einen lebensgefährlichen Posten in Indonesien. Ein aufreizendes Machtspiel mit Lebenslügen und Täuschungen beginnt, bei dem die junge Frau dem berufsmäßigen Manipulator keineswegs unterlegen ist.

Svenja ist eine Revoluzzerin. Rebellisch und so mutig, dass sie sogar ihrem Freund in den verachteten Banker-Job folgt. Eine junge verrückte Frau - genau was so ein verknöcherter Banker braucht, denkt man schnell. Doch Svenja ist imprägniert gegen die Verführungen von Macht und Karriere. Sie gibt sich selbst im eigens gemieteten Hotelzimmer noch desinteressiert. Cordes’ Ränkespiele, seine Lügen und Täuschungen werden dagegen immer krasser. Ebenso wächst beim Zuschauen das Entsetzen angesichts der Unverfrorenheit dieses Anzugträgers. Zu den heftigsten, ja gar lynch-artigen Momenten gehört der sadistische Voyeurismus von Cordes, der gegen Bezahlung runtergekommenen Junkies zusieht, wie die sich einen Schuss setzen. Genau wie bei der erfundenen Legende einer eigenen Kindheit in schäbiger Mietswohnung, kann der Banker sich Menschliches nur mit besonders perversen Verrenkungen aneignen.

„Unter dir die Stadt“ kann man als Kommentar zu Heuschrecken und Ackermännern lesen. Diese Menschen sagen beim fotografiert werden nicht „cheese“ sondern „greed“. Und die Gier des Cordes ist maßlos. Auch wenn er im Umgang mit den Konsequenzen seiner Handlungen überrascht. Der Film ist aber auch ein eiskaltes Psycho-Drama mit faszinierend genauen Einblicken in Funktionen und Deformationen der begehrenden Psyche. Der studierte Architekt und Filmemacher Hochhäusler („Milchwald“, „Falscher Bekenner“) arbeitet mit Räumen. Wer tut das nicht, kann man fragen, doch Hochhäusler situiert Svenja sehr exakt beim Einzug und der Neueinrichtung einer gemeinsamen Wohnung. Die abgehobenen Spiegel-Türme der Frankfurter Banker mit ihren undurchdringlichen Fassaden sind eigentlich auch Klischee, aber selbst den Hochhäusern gewinnt Hochhäusler noch einiges an Kälte ab. Die wiederkehrenden Blicke von oben auf Passanten, die Kirche und den ganzen Rest der Welt lassen Kälte förmlich spüren. Dazu passt ein extrem irritierender Soundtrack, der immer wieder Hintergrundgeräusche in Musik übergehen lässt.

Grandios dabei die Hauptdarsteller: Der vom Theater kommende Robert Hunger-Bühler ist noch ein recht unbekanntes Kinogesicht, das sich aber als Cordes nachhaltig einprägt. Nicolette Krebitz verbindet in Svenja wieder wie in vielen anderen Rollen (und ihren eigenen Filmen) starke Emotionalität mit großer Intelligenz, Zerbrechlichkeit mit enormen Durchsetzungsvermögen. Die Exaktheit dieser Figuren und der genauen Konstruktion von Hochhäusler wird schnell übersehen, denn der allerletzte Schlusspunkt ist nur noch surreal: Noch ein Blick von oben auf die Straßen mit panisch rennenden Passanten und der Kommentar: Es geht los!

Günter H. Jekubzik

Frankfurt am Main, die Geschäfts-, die Bankenstadt, die zum heutigen hektischen „modernen“ Leben gehört. Immer wieder flimmern in diesem Film Stadtbilder an uns vorbei, manchmal kühl und präzise, manchmal flirrend und fetzenweise. Jedoch nicht nur Ansichten der Stadt, sondern auch Bilder der Gebäude, der Hochhäuer, ihres Innern, ihrer Räume. Das alles ist charakteristisch für die Geschichten, die erzählt werden, und das knallharte Geschäftsklima, in dem sich hier alles abspielt.

Die obersten Etagen eines Hochhauses. Da geht es bei einer Bank um Geschäfte, darum, wie man gerissen verhandelt, wie man die Geschäftspartner am besten übervorteilt, wie man möglichst viel Gewinn herausholt.

Roland Cordes ist einer der Vorstände. Er entbrennt leidenschaftlich für Svenja, die Frau eines Mitarbeiters. Also muss zuerst deren Mann aus dem Weg. Er wird auf eine längere nicht ungefährliche geschäftliche Mission nach Indonesien beordert. Roland Cordes hat freie Hand.

Zwischen Roland und Svenja, die sich zuerst weigert, dann aber einwilligt, entsteht eine komplizierte Leidenschaft. Manchmal geht diese tief, dann wieder reißt sie auseinander, wird unsicher. Nach Zerwürfnis erneut Leidenschaft – fast eine Hass-Liebe.

Das kalte Viertel der Stadt, der ungerechtfertigte geschäftliche Machtanspruch der Banken und die äußerst problematische Liebesgeschichte zwischen Cordes und der verheirateten Svenja – diese drei Themenkreise werden geschickt ineinander verwoben. Ihre problematisch-negativen Aspekte machen sie miteinander verwandt. Eine gewisse Bestürzung stellt sich beim Betrachter unausweichlich ein.

Auch stilistisch ist Regisseur Hochhäusler dieser Atomsphäre gefolgt. Es wird etwas spürbar, was man eine gewisse filmische Zerrissenheit nennen könnte.

Die Minen der handelnden Geschäftsleute sind sämtlich unerbittlich. Was man von der Art des Spiels der beiden Hauptdarsteller nicht sagen kann. Nicolette Krebitz als Svenja und Robert Hunger-Bühler als Roland Cordes reizen ihre erwiesenen Fähigkeiten voll aus. Leidenschaftlich soll die Liebesgeschichte sein, leidenschaftlich ist jedenfalls das Spiel der beiden.

Thomas Engel