Vanatoare

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Das dokumentarisch anmutende Drama „Vanatoare“, begleitet drei Rumäninnen in ihrem Alltag. Sie arbeiten am gleichen Ort und reden zwischendurch über Privates. So weit, so unspektakulär. Die Besonderheit: die Frauen teilen sich kein Büro sondern stehen jeden Tag an einer lauten, mehrspurigen Straße. Sie sind Prostituierte. Der von schonungslosem Realismus geprägte Film, lebt von einer scharfen Beobachtungsgabe und den kalten, tristen Bildern. Der Zuschauer erhält so ungeschönte, illusionslose Einblicke in ein korruptes Milieu.

Webseite: grandfilm.de/vanatoare/

Deutschland 2016
Regie & Drehbuch: Alexandra Balteanu
Darsteller: Corina Moise, Iulia Lumânare, Iulia Ciochină, Sergiu Costache, Dragoş Olaru
Länge: 75 Minuten
Verleih: Grandfilm
Kinostart: 07. Dezember 2017

FILMKRITIK:

Ein Tag im Leben dreier rumänischer Prostituierter: da ist zum einen Taubenzüchterin Lidia (Corina Moise), die mit ihrer Familie am Rande von Bukarest wohnt. Denisa (Iulia Lumanare) hat Probleme mit ihrem Freund, da er nur auf der Faulen Haut liegt. Und Vanessa (Iulia Ciochina) will mit einer Zeitungs-Annonce endlich ihren Traummann finden. Täglich stehen die Drei am verdreckten Straßenrand unter einer viel befahrenen Autobahnbrücke und gehen anschaffen. Sie eint ein schwer zu ertragender Alltag voller Gefahren und Unsicherheiten. Am Ende des Tages kommt es einer zu einer Konfrontation mit der Polizei. 

Das rumänische Drama „Vanatoare“ sorgte auf dem diesjährigen Saarbrücker Filmfest Max-Ophüls-Preis für Furore, als es mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet wurde. Inszeniert wurde „Vanatoare“ von der 35-jährigen Regie-Debütantin Alexandra Balteanu. Für ihren Erstling verfasste sie auch das Drehbuch. Vor ihrer Karriere als Filmemacherin arbeitete Balteanu u.a. als Regie-Assistentin und Produktions-Managerin.

Der in karge und trübe Bilder gehüllte Film zeichnet sich durch einen hohen Grad an Realismus und seinen dokumentarischen Stil aus. Um dies zu erreichen, nutzt Filmemacherin Balteanu klassische Elemente des Dokumentarfilms: sie nimmt die beobachtende Perspektive ein, filmt mit  Handkamera und begleitet ihre Figuren durch einen kompletten Arbeitstag. Mit allen Höhen und Tiefen. Wobei es zugegebenermaßen kaum positive Erlebnisse oder Lichtblicke in deren Alltag gibt. Drei Frauen, die – zwischen Betonpfeilern und umgeben von Dreck und Lärm – auf den nächsten Freier warten.

Balteanu verfügt über einen genauen, unverstellten Blick für ein gesellschaftlich geächtetes Milieu am Rande der Gesellschaft: den Straßenstrich. Schockierend ist, wie die Frauen sich den Freiern anbiedern müssen, um sich für kleinstes Geld herabwürdigen zu lassen. Schon für 30 Lei (umgerechnet nicht einmal sieben Euro) müssen sie ihre sexuellen Dienste anbieten. Denn: mehr wollen ihre Kunden nicht zahlen. Eine der nachhaltigsten Szenen spielt sich im Wagen eines Freiers ab. Ein verheirateter Familienvater. Im Mittelpunkt steht die junge Vanessa, die lediglich der Glaube an die große Liebe, am Verzweifeln hindert.

Balteanu lässt der Sexarbeiterin ihre Würde, in dem sie auf allzu voyeuristische Bilder verzichtet und lediglich die „Preisverhandlungen“ während der Fahrt, zeigt. Die Art und Weise aber, wie respektlos und abfällig der Freier mit der jungen Frau umspringt, verdeutlicht, welch frauenfeindliches Umfeld  die Prostituierten umgibt. Und wie despektierlich und widersprüchlich die Männer sind, die ihre Dienstleistungen dennoch täglich in Anspruch nehmen.

Jene Szene besteht aus einer einzigen langen Einstellung, ohne Schnitt. Ähnlich einer (verwackelten) Plansequenz, die im Film häufiger vorkommen. Etwa, wenn sich Vanessa minutenlang mit ihrem Zuhälter in einem Imbiss streitet oder beim deprimierenden Ende. Ein Ende, das keine Hoffnung auf ein besseres Lebens gewährt. Durch diese starren Einstellungen zwingt der Film den Zuschauer zum Hinsehen und macht – in quälender Länge – die dramatische Lage der Frauen deutlich.

„Vanatoare“ hat letztlich nur ein Problem: durch die ungeheuer kurze Spielzeit von 70 Minuten schafft er es nur schwer, Nähe zu den Protagonistinnen herzustellen. Mehr Einblicke z.B. in ihr Privatleben abseits vom Straßenstrich, würde noch mehr Verständnis und Mitgefühl beim Betrachter hervorrufen. Und dafür sorgen, dass einem Lidia, Denisa und Vanessa weniger fremd erscheinen. Aber für solch intime Einblicke, fehlt Balteanu schlicht die Zeit. 

Björn Schneider