Veni Vidi Vici

In Sachen Sarkasmus ist auf Österreich traditionell Verlass. In dieser bitterbösen Gesellschaftssatire geht es um skrupellose Bonzen, die zur eigenen Belustigung vor Menschenjagd und Morden nicht zurückschrecken. Ein komplett korruptes System sorgt schließlich dafür, dass sie rundum versorgt und nie zur Verantwortung gezogen werden - „Triangle of Sadness“ lässt grüßen. Kaum verwunderlich, dass „Hundstage“-Regisseur Ulrich Seidl hier als Produzent mitmischt. Wer „Vorstadtweiber“ mag, wird begeistert sein vom tiefschwarzhumorigen Pointen-Feuerwerk der grotesken Art.

Webseite: https://grandfilm.de/

Ö 2024
Regie: Daniel Hoesl, Julia Niemann
Darsteller: Laurence Rupp, Ursina Lardi, Olivia Goschler, Kyra Kraus, Tamaki Uchida , Dominik Warta, Markus Schleinzer

Filmlänge: 86 Minuten
Verleih: Grandfilm GmbH
Kinostart: 7.11.2024

FILMKRITIK:

„The point is, who will stop me.” heißt es vor dem Vorspann auf einer Texttafel. Das programmatische Zitat stammt aus dem Roman „The Fountainhead“ von Ayn Rand, einer Propagandistin des skrupellosen Anarchokapitalismus – nicht umsonst adelt Donald Trump sie gern als Lieblingsautorin. Danach geht es gleich zünftig zur Sache. Ein Radler tritt auf einer Bergstreckte mit letzter Kraft in die Pedale. Was dann passiert, bleibt Spoiler-Geheimnis. Die Schock-Sequenz sorgt jedenfalls sofort für die richtige Betriebstemperatur für eine bitterböse Gesellschaftssatire, die über Leichen geht.

„Fair Play kann jeder. Dafür bin ich zu clutchy. Und der Erfolg gibt mir recht“, erklärt die dreizehnjährige Paula als Ich-Erzählerin dem Publikum ihre Welt. Mit einem gezielten Foul hat sie das Polo-Spiel gewonnen, sehr zu Freude ihrer Eltern. Papa Amon unterhält als schwerreicher Investor beste Beziehungen in höchste Partei- und Regierungskreise. Mama Viktoria sorgt mit vorzüglicher Vernetzung im Justizapparat dafür, dass diese schrecklich reiche Familie stets über allen Gesetzen steht. Selbst Morde werden klammheimlich unter den Teppich gekehrt. Und Papi hat eine kleine Schwäche dafür entwickelt, mit dem Jagdgewehr auf Menschen zu zielen. Als beim jüngsten Mord der örtliche Jagdaufseher zum Augenzeugen wird, scheint das gnadenlose Killer-Spiel beendet. Die Maynards freilich scheinen unantastbar. Als Gipfel der Demütigung muss jener Jagdaufseher zum Kindergeburtstag erscheinen und sich von Paula die familiäre Waffensammlung vorführen lassen.

„Wo bleibt der Aufstand? Warum lassen die Menschen sich das gefallen?“, jammert Papa Amon. Das gilt für seine mörderische Leidenschaft ebenso wie für jene Skrupellosigkeit, mit der er sich andere Unternehmen einverleibt, ganz gleichgültig ob sie einem väterlichen Freund gehören. Als sich ein Journalist auf Spurensuche macht, hofft Amon endlich auf die lang ersehnte Herausforderung. „Du hast mich in der Hand!“ ermutigt der Killer den Medienmann. Der freilich gerät schnell ins Fadenkreuz der Staatsmacht. Derweil der Mörder weiter auf Menschenjagd geht. Auch Töchterchen Paula setzt die tödliche Familientradition unbeirrt fort. „Vielleicht sollte ihre Tochter doch eine Therapie machen“ rät die Polizei. „Ja vielleicht!“, gibt sich Papa schuldbewusst. Um wenig später einen überraschenden Ersatz für den getöteten Butler und Tatortreiniger Alfred  aus dem Hut zu zaubern. Wie zum Auftakt gibt es auch zum Finale einen fatalen Paukenschlag -  der freilich gleichfalls nicht verpetzt sein will.

In leuchtenden Farben erzählt das Regie-Duo Daniel Hoesl und Julia Niemann diese rabenschwarze Gesellschaftssatire, was die Wirkung umso unheimlich geraten lässt. Ähnlich verhält es sich mit dem skrupellosen Bonzen-Clan, von dessen perfider Bösartigkeit auf den ersten Blick nichts zu ahnen ist, da sie sich vorzugsweise als schrecklich sympathische Familie der ausgesprochen kultivierten Art präsentiert. Laurence Rupp und Ursina Lardi geben das superreiche Teufels-Paar mit spürbar diebischem Vergnügen. Ähnlich amüsiert als willfähriger Butler Alfred agiert Regisseur Markus Schleinzer (der demnächst Sandra Hüller im Historiendrama „Rose“ inszeniert).

In der Tradition der Cannes-Sieger „Triangle of Sadness“ und „Parasite“ setzt dieser österreichische Sundance-Kandidat bei seiner grellen Kapitalismus-Groteske auf ein gut besetztes Figurenkarussell mit ziemlich bösen Eigenschaften. Wo die Minister auf den Namen Kafka hören, hat die Moral nicht viel zu melden. Klar, dass hier ein Unhappy End den Schlusspunkt setzt - dessen Brutalität konsequent rigoros ausfällt.

 

Dieter Oßwald